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1860 München zwischen Himmel und Hölle
1860 München geht als Mitfavorit ins Aufstiegsrennen der dritten Liga. Doch Störgeräusche rund um den Investor trüben die Stimmung
Das Wort »Aufstieg« wollte Kevin Volland nicht in den Mund nehmen, als er am Montag bei der DFB-Pressekonferenz zum Auftakt der 3. Liga zugeschaltet wurde. Der ehemalige Nationalspieler ist in diesem Sommer zum Fußballverein seiner Jugend zurückgekehrt: zum TSV 1860 München. »Wir wollen auf jeden Fall oben mitspielen: Alles andere wäre mit unserem Kader lächerlich«, gab der 32-Jährige zu. Denn der Stürmer, der zuletzt bei Union Berlin unter Vertrag stand, ist nicht der einzige namhafte Neuzugang beim TSV.
Gibt es sie etwa doch noch, die Fußballromantik? Volland hat vor zwei Jahren noch in der Champions League gegen Real Madrid gespielt. An diesem Freitag läuft er um 19 Uhr für die Löwen in der 3. Liga gegen Rot-Weiss Essen auf. In der Offensive unterstützt ihn Stürmer Florian Niederlechner, der in der Vorsaison immerhin 28 Spiele für Hertha BSC in der 2. Bundesliga bestritten hat. Beide eint, dass sie in ihrer Jugend für 1860 München aufliefen – und jetzt zurückgekehrt sind. »Ich wollte nur hierherkommen«, sagte Niederlechner und bestätigte, auch andere Angebote gehabt zu haben. Die Entscheidung war eher emotional als finanziell lukrativ: »Da sind so viele Jungs von mir in der Kurve und im Stadion, da bekomme ich gleich Gänsehaut vor Vorfreude.« Anders als Volland nahm er auch das »A-Wort« in den Mund: »Ich bin hierhergekommen, damit ich um den Aufstieg mitspiele«, so Niederlechner.
Es wäre die langersehnte Rückkehr in die 2. Bundesliga, in der 1860 von 2004 bis 2017 Dauergast war. Lange gehörte der Verein zu den größten in Deutschland, war Gründungsmitglied der Bundesliga und wurde 1966 Deutscher Meister. Insgesamt blickt der Verein auf 20 Jahre Bundesliga zurück, spielte Anfang des Jahrtausends noch im Europapokal und ist immer noch auf Rang 22 der ewigen Tabelle in der höchsten deutschen Spielklasse.
»Wir wollen auf jeden Fall oben mitspielen.«
Kevin Volland 1860-Rückkehrer
Die Fans halten dem Verein seither die Treue. Heimspiele waren in der Vorsaison stets ausverkauft, 15 000 Zuschauer kamen an den Wochenenden ins Stadion an der Grünwalder Straße. Nun beginnt die Mission Aufstieg mit einer schweren Aufgabe: Gegner Rot-Weiss Essen war in der vergangenen Rückrunde die beste Mannschaft der dritten Liga. Doch Kevin Volland freut sich, »dass es direkt ein Kracher wird«, und sieht einem »geilen Eröffnungsspiel« entgegen.
Um die beiden prominenten Heimkehrer herum haben die Münchner schließlich eine schlagkräftige Truppe zusammengestellt. Torwart Thomas Dähne kam aus Kiel und stand in der Vorsaison noch in der Bundesliga zwischen den Pfosten. Dazu konnte Geschäftsführer Christian Werner auch noch Mittelfeldspieler Max Christiansen von Hannover 96 nach München lotsen und Sigurd Hausen, der vergangene Saison zehn Tore für Hansa Rostock erzielte, für den Sturm verpflichten. Vor dem Auftaktspiel in Essen mahnte Volland trotzdem zur Geduld: »Wir haben viele Neuzugänge, wir müssen uns jetzt auch erst einmal finden.«
Eine spannende Mannschaft auf dem Feld, ein Topspiel vor der Brust: Die Stimmung in München könnte blendend sein – wäre da nicht die Sache mit dem Investor. Im Jahr 2011 hatte der Jordanier Hasan Ismaik 49 Prozent der Anteile an der TSV München von der 1860 GmbH & Co. KGaA gekauft, der ausgegliederten Profi-Fußballabteilung samt Nachwuchsteams. Seitdem ist der Klub geplagt von Machtkämpfen und Konflikten zwischen Ismaik und dem Verein, die zwischenzeitlich zum Abstieg aus der zweiten direkt in die vierte Liga führten. Als der Verein am 3. Juli bekannt gab, dass Ismaik seine Anteile verkaufen würde, feierten einige Fans mit Feuerwerken in der Stadt. Am 18. Juli folgte der Knall: Ismaik verkündete, dass der Verkauf seiner Anteile geplatzt sei. Der Käufer habe keinen Zahlungsnachweis erbringen können.
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Es ist ein Stimmungsdämpfer, den der Verein hätte verhindern können. Denn als er verkündete, dass Ismaik seine Anteile abgeben würde, war der Verkauf noch nicht einmal notariell beglaubigt. Weder Verein noch Ismaik hatten geprüft, ob der Käufer überhaupt zahlungsfähig ist. Der Jordanier dürfte froh gewesen sein, ein Angebot von 50 Millionen Euro erhalten zu haben, das den Marktwert seiner Anteile deutlich überstiegen hätte. Aufseiten von 1860 stand Präsident Robert Reisinger kurz vor dem Ende seiner Amtszeit. War es auch sein Eigensinn, der die verfrühte Bekanntgabe veranlasst hatte? Der von den Vereinsmitgliedern abgewählte Präsident ließ sich bei der Mitgliederversammlung, die seine Amtszeit beschloss, noch einmal gehörig dafür feiern, den unliebsamen Investor losgeworden zu sein.
So ist es für die Fans von 1860 mal wieder ein Ritt zwischen Himmel und Hölle. Noch überwiegt der Enthusiasmus, die Freude über eine tolle Mannschaft: Zum Fanfest am 20. Juli erschienen mehr als 5000 Anhänger. Zum Auftaktspiel bei Rot-Weiss Essen im Stadion an der Hafenstraße werden rund 2500 Fans aus München erwartet. Bleibt der sportliche Erfolg aus, kann sich das Blatt aber schnell wenden. Die erste Ausrede, die unnötige Unruhe, die Verein und Investor verursacht haben, wäre bereits gefunden.
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