Österreich: Viele Flüchtlinge in Lkw erstickt

Mindestens 30 Tote in abgestelltem Fahrzeug an der Autobahn entdeckt / Grünen-Politiker Giegold: »Wir brauchen legale Fluchtwege« / ÖVP-Innenministerin macht allein die Schleuser verantwortlich

  • Lesedauer: 4 Min.

Update 17.05 Uhr: Hilfsorganisationen fordern legale Einreise für Migranten
Nach der Flüchtlingstragödie in Österreich haben Hilfsorganisationen den Ausbau legaler Einreisewege für Migranten in die Europäische Union gefordert. »Wenn man die Flucht der Menschen staatlich organisierte, dann wären die Schlepper und Schleuser arbeitslos«, sagte der Gründer der Hilfsorganisation Cap Anamur, Rupert Neudeck, der »Welt« (Freitag). Unter anderem solle der Visumszwang für Menschen aus Kriegs- und Krisenländern wie Syrien und Eritrea abgeschafft werden.

Die Nachricht aus Österreich erinnere daran, was passiere, wenn man diejenigen, die nach Sicherheit und einem besseren Leben suchen, ohne organisierte Migrationsstrategie dem Wohlwollen von Menschenhändlern ausliefere, sagte der Generaldirektor der Internationalen Organisation für Migration (IOM), William L. Swing, in Genf. Es müsse schnell etwas getan werden, »um Migration legal und sicher zu machen.«

Update 16.55 Uhr: Innenminister de Maizière »fassungslos« über Flüchtlingsdrama in Österreich
Nach dem Flüchtlingsdrama im Osten Österreichs hat sich Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) entsetzt gezeigt. Er sicherte den österreichischen Einsatzkräften »volle Unterstützung« bei der Fahndung zu. Allerdings seien Schleuser nur »ein kleiner Teil der Wertschöpfungskette«. Die Hintermänner der Schleuser und ihre von Syrien nach Deutschland reichenden Organisation seien noch schlimmer. Diese wolle er mit Hilfe von Interpol bekämpfen.

Österreich: Viele Flüchtlinge in Lkw erstickt

In Österreich sind in einem Lastkraftwagen die Leichen von Flüchtlingen entdeckt worden. Ein Sprecher des Innenministeriums in Wien sagte, »es ist ein Lastwagen voller Leichen«. In dem Kühlfahrzeug entdeckten Beamte am Donnerstag »mindestens 20 oder auch 40 bis 50 Tote«, wie der Polizeidirektor des Burgenlandes, Hans Peter Doskozil, bei einer Pressekonferenz in Eisenstadt sagte. Die Bergung der Toten sei noch nicht abgeschlossen. Die Tatortarbeit und die Bergung der Toten laufe. Nach den Schleusern werde mit Hochdruck gefahndet.

Der Lkw war in einer Pannenbucht im Autobahnabschnitt bei Parndorf (Bezirk Neusiedl am See) abgestellt. Aus dem Laderaum quoll laut Doskozil Verwesungsflüssigkeit. Der Wagen sei wahrscheinlich am Mittwoch dort abgestellt worden. Die Flüchtlinge könnten aber schon früher gestorben sein. Mitarbeiter des Autobahn-Streckendienstes Asfinag hätten den abgestellten Laster entdeckt.

Ob die Menschen beim Transport erstickt sind, wie in verschiedenen österreichischen Medien vermutet wurde, konnte die Polizei zunächst nicht sagen. Für die weiteren Ermittlungen wurde ein Krisenstab eingerichtet.

Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner wies am Donnerstag den Schleusern die Verantwortung zu – und nicht denen, die dafür sorgen, dass es immer weniger legale Fluchtwege gibt. »Diese Tragödie macht uns alle betroffen. Schlepper sind Kriminelle. Und wer jetzt noch immer meint, dass es sanftmütige Fluchthelfer sind, dem ist nicht zu helfen«, erklärte die Politikerin der konservativen ÖVP.

Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière sagte, »dass dort viele, viele Menschen ersticken, weil verbrecherische Schleuser an diesen Menschen und unwürdigen Transportbedingungen Geld verdienen, macht mich wütend und fassungslos«.

Dagegen sagte der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold, es sei »eine Schande, dass sich Flüchtlinge selbst auf EU-Gebiet Schleusern ausliefern müssen. Wir brauchen legale Fluchtwege«, forderte er.

Der grausige Fund der toten Flüchtlinge ereignete sich just am Tag der Westbalkan-Konferenz in Wien, die sich mit der anhaltenden Flüchtlingskrise beschäftigt. Die sogenannte Westbalkan-Route wird von zahlreichen Flüchtlingen genutzt, die in der EU auf ein sicheres Leben hoffen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) reagierte bestürzt auf die Tragödie. »Wir sind alle erschüttert von der entsetzlichen Nachricht«, sagte Merkel sagte Merkel am Donnerstag am Rande der Westbalkan-Konferenz in Wien. »Das waren Menschen, die auf dem Weg waren, um mehr Sicherheit und Schutz zu suchen und dabei einen so tragischen Tod erleiden mussten.« Die EU sei verpflichtet, für Frieden in den Ländern einzutreten, wo Krieg herrsche, sagte Merkel. Und sie müsse Menschen helfen, deren Leben bedroht sei und die in einer ausweglosen Situation seien. Wie viele Syrer. »Europa als reicher Kontinent ist nach meiner festen Überzeugung in der Lage, das zu bewältigen.« Agenturen/nd

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