Phase 2 »Alpha« - ein Schlag ins Wasser

EU-Außenminister beraten über Ausweitung des Mittelmeer-Militäreinsatzes - nicht über sichere Flüchtlingswege

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Am Wochenende beraten die EU-Außenminister über die geplante Ausweitung der Mittelmeer-Mission EUNAVFOR MED. Man will Schleuser jagen.

In dieser Woche hatte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini verkündet, man werde bei EUNAVFOR MED von der Phase 1 - in der es nach ihrer Ansicht um Informationsgewinnung ging - zur Phase 2 wechseln. Weil Luxemburg derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, leitete der Verteidigungsminister des Binnenlandes, Étienne Schneider, am Freitag eine erste entsprechende Beratung über das maritime Wie und das politische Wann. Dem Vernehmen nach kam nicht viel dabei heraus. Verteidigungsstaatssekretär Ralf Brauksiepe fiel nur ein, dass Deutschland sich weiter »substanziell« bei Missionen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik engagiert.

Fragt man deutsche Marineexperten, so verweisen sie zunächst einmal darauf, dass es natürlich auch künftig um die Rettung von Menschen in Not gehen muss. Das habe für jeden Seemann Priorität. Zudem verweist die Marine darauf, dass die von Mogherini ausgelöste zweite Phase von EUNAVFOR MED in die Teile »Alpha« und »Bravo« gegliedert ist. Bei »Alpha« gehe es darum, dass die rund 30 an der aktuellen Mittelmeeroperation beteiligten Kriegsschiffe noch dichter an die Küste Libyens heranrücken. Ohne in Hoheitsgebiet einzudringen. Das bliebe dem »Bravo«-Teil vorbehalten. Für den aber brauche man das Einverständnis einer libyschen Zentralregierung - die es auf absehbare Zeit nicht geben wird - oder ein klares Mandat der UNO.

Wie aber will man Schleuser fangen? Die steigen bekanntlich nicht selbst in ihre maroden Kähne. Bisweilen, so Soldaten vor Ort, fahren Schleuserbosse nächtens mit schnellen Jachten aufs offene Meer, um herrenlos treibende Holzboote in die Ausgangshäfen zu schleppen. Dort sollen sie abermals mit Menschen voller Hoffnung gefüllt werden.

Seit dem Beginn von EUNAVFOR MED hat es angeblich 16 solche Aktionen und damit Möglichkeiten für einen Zugriff gegeben. Es heißt, man habe sie nicht genutzt, um keine bewaffnete Auseinandersetzung zu riskieren. Im Rahmen einer asymmetrischen Kampfführung sind Kriegsschiffe verletzlicher als allgemein angenommen wird. Man erinnert sich an den Schlauchbootangriff gegen den US-Zerstörer »Cole« 2000 vor der Küste Jemens. Erst im Juli 2015 wurde ein ägyptisches Patrouillenboot vor der Halbinsel Sinai attackiert. »Terroristische Elemente« - so gab das Verteidigungsministerium in Kairo bekannt - hätten eine Panzerabwehrrakete abgefeuert. Libyen ist bekanntlich ein zerfallender Staat, in dem diverse Milizen über verschiedenste, auch hochmoderne Waffensysteme verfügen.

In Art und Ausführung erinnert Phase 2 der aktuellen Mittelmeer-Mission an die seit 2008 laufendende Operation »Atalanta«. Dass vor der somalischen Küste die Piratengefahr gerade gegen Null tendiert, schreibt man im Berliner Verteidigungsministerium zum Gutteil dem dortigen Aufmarsch der EU-Armada zu.

Auch wenn absehbar ist, dass Phase 2 »Alpha« von EUNAVFOR MED zur Abwehr von Schutzsuchenden ein Schlag ins Wasser sein wird und höchstens die Preise für Schleusungen hochtreibt, so ist sie doch ein Schritt zur weiteren Eskalation. Am Ende könnten mit Phase 3 eine EU-Militäroperationen auf libyschen Boden stehen. Nicht ausgeschlossen ist dann eine direkte Konfrontation mit Kräften des Islamischen Staates. Derartiges hat die EU bislang tunlichst vermieden.

Es ist zu erwarten, dass die Bundesregierung sich demnächst vom Parlament ein Mandat für das verschärfte Schiffeversenken holen wird - statt innerhalb der EU darauf zu dringen, dass man für Flüchtlinge aus Kriegsgebieten und Diktaturen legale und sichere Zugänge nach Europa eröffnet. Zugleich müssten Lasten fair unter den EU-Mitgliedsstaaten verteilt werden. Nur so, also nicht-militärisch, kann man das Geschäft von Schleppern nachhaltig stören.

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