Neuer Anlauf zu »Recht auf Wasser«

Europaabgeordnete unterstützen Bürgerinitiative und fordern von EU-Kommission Taten

  • Kay Wagner, Straßburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Jeder sollte ein Recht auf Wasser haben: Weiterer Etappensieg für die EU-Bürgerinitiative »Recht auf Wasser«: Das Europaparlament fordert die EU-Kommission auf, dieses nun endlich in Gesetzesform zu gießen.

Das Europaparlament hat sich am Dienstag mehrheitlich hinter die erste erfolgreiche EU-Bürgerinitiative »Recht auf Wasser« gestellt. In einem 37-seitigen Bericht fordern die Abgeordneten die Europäische Kommission unter anderem dazu auf, das Recht auf Wasser in den EU-Gesetzen zu verankern, die Privatisierung der Wasserversorgung zu verbieten und diesen Bereich als Verhandlungsgegenstand aus allen internationalen Freihandelsabkommen auszuschließen.

Vor allem Sozialdemokraten, Grüne und Linke waren es, die die Annahme des Berichts in Straßburg sicherstellten. Allerdings hing der Abstimmungssieg am seidenen Faden, denn die Europäische Volkspartei (EVP) mit den deutschen CDU/CSU-Abgeordneten sowie die Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformisten (EKR) mit den Mitgliedern der Alternative für Deutschland und der Familienpartei hatten kurz vor Schluss einen Gegenantrag eingereicht. Sein Inhalt: keine Forderung nach EU-gesetzlicher Verankerung des Rechts auf Wassers, kein Verbot der Privatisierung der Wasserversorgung sowie die Möglichkeit ihrer Berücksichtigung bei internationalen Abkommen. Empört über diese Forderungen wetterte der Grünen-Abgeordnete Sven Giegold vor der Abstimmung: »Das ist ein skandalöser Schlag ins Gesicht der 1,9 Millionen Europäer und über 1,3 Millionen Deutschen, die die Bürgerinitiative unterstützt haben.«

Angespannt zeigte sich deshalb auch Giegolds Kollegin Lynn Boylan. Die irische EU-Abgeordnete aus der Fraktion der Europäischen Linken und Grünen (GUE/NGL) hatte die Unterstützung der Bürgerinitiative federführend betreut. Mit dem Entwicklungs- und Umweltausschuss hatten bereits zwei Gremien des Parlaments vor der Sommerpause ihre Arbeit mit breiten Mehrheiten angenommen. Jetzt standen die Kompromisse durch den Antrag der Konservativen plötzlich wieder in Frage. Die erste Abstimmung, die dem Gegenantrag galt, begann. Sekunden des Bangens, dann reißt Boylan beide Arme in die Höhe, ein Lachen erhellt ihr Gesicht, Applaus brandete auf: Mit 368 zu 329 Stimmen wurde der Gegenantrag abgelehnt. »Das ist ein Sieg für die Demokratie, die Zivilgesellschaft und die Menschen, die sich für ›Recht auf Wasser‹ engagiert haben«, sagte Boylan später auf einer Pressekonferenz. »Endlich haben die über 1,8 Millionen Menschen, die sich an dieser allerersten Bürgerinitiative beteiligt haben, die Unterstützung erhalten, die sie von einer EU-Einrichtung verdienen«, fügte sie hinzu.

Ein klarer Seitenhieb auf die EU-Kommission. Auf der Grundlage des Lissabon-Vertrags hatte Brüssel 2011 die europäische Bürgerinitiative als Maßnahme eingeführt, um den Bürgern die Möglichkeit zu geben, Einfluss auf die europäische Gesetzgebung zu nehmen. Die Initiative »Recht auf Wasser« war im Dezember 2013 die erste, die ihre Forderungen mit weit mehr als den eine Million nötigen Unterschriften an die EU-Kommission lieferte. Im März 2014 gab es eine offizielle Reaktion. Auf 15 Seiten freute sich die EU-Behörde über die Initiative der Bürger, bestärkte sie in ihrer Sicht, dass Wasser ein schützenswertes Gut ist, palaverte sich aber um die Erfüllung der konkreten Forderungen herum.

Nicht nur die Organisatoren von »Recht auf Wasser« waren enttäuscht, sondern auch Boylan, Giegold und andere, zumeist linke Europaabgeordnete. Im Entwicklungs- und im Umweltausschuss starteten die Politiker einen parlamentarischen Initiativbericht zum »Recht auf Wasser«, der nun vom Plenum endgültig verabschiedet wurde. Einziges Problem: Auch auf diesen Bericht muss die EU-Kommission nicht unbedingt mit konkreten Gesetzesvorschlägen reagieren.

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