Corbyn führt Labour

INTERNATIONALE PRESSE

  • Lesedauer: 3 Min.

Sunday Times, Großbritannien

Tories müssen aufpassen

Für die Tories ist der Wahlsieg von Jeremy Corbyn auf den ersten Blick ein Geschenk des Himmels. Er ist noch untauglicher als Kandidat für das Amt des Regierungschefs als (sein Vorgänger Ed) Miliband. Doch die Konservativen müssen aufpassen. Ohne eine starke Opposition werden Regierungen selbstgefällig und arrogant. Interne Streitereien würden Wähler abschrecken.

de Volkskrant, Niederlande

Brexit rückt näher

Selbst in seiner eigenen Partei dürfte es Corbyn schwer fallen, für Einigkeit zu sorgen. Ein Großteil der Labour-Abgeordneten hält wenig von seinen Plänen zur Verstaatlichung von Eisenbahn und Energieunternehmen. Die europäischen Partner Großbritanniens betrachten jedoch vor allem die außenpolitischen Vorstellungen Corbyns mit Sorgen. So setzt sich der neue Führer der Labour Partei für einen Austritt seines Landes aus der NATO ein. Aber die größte Gefahr besteht darin, dass seine Wahl den britischen Austritt aus der EU näher bringen könnte. Zwar ist Corbyn kein Gegner der EU, aber sollte Brüssel auf Drängen von Premierminister Cameron die Rechte von Arbeitnehmern beschneiden, dann könnte Corbyn für einen Brexit plädieren.

Le Monde, Frankreich

Lektion für die Linken

Corbyn steht für eine deutliche Opposition zu den Konservativen und weckt Hoffnungen auf eine Abkehr von der Sparpolitik. Er beschwört die Ideale sozialer Gerechtigkeit und elektrisiert damit eine Randgruppe enttäuschter Wähler. Dies ist eine nachdrückliche Lektion für die Linken in Europa: Nach Spanien und Griechenland zeigt sich nun auch in Großbritannien, dass Diskurse, die sich gegen Sparpolitik wenden, eine große Anziehungskraft haben.

Neue Zürcher Zeitung, Schweiz

Labour droht Spaltung

Corbyn ist ein Sozialist von altem Schrot und Korn, der von Wiederverstaatlichungen träumt. Zu seiner Wahl hat beigetragen, dass die Finanzindustrie das Land in eine Wirtschaftskrise stürzte, deren Folgen bis heute anhalten. Zweitens hat sich die Erholung, die unter Premier David Cameron einsetzte, bisher kaum auf die Löhne ausgewirkt. Der Partei droht die Spaltung in einen gemäßigten und einen radikalen Flügel. Für das Land wäre das schlecht, denn eine parlamentarische Demokratie profitiert von einer starken Opposition.

Washington Post, USA

Alte Generation

Corbyn vertritt eine Außenpolitik, die darauf ausgerichtet ist, den Vereinigten Staaten und Israel wo immer möglich entgegenzutreten. Er wird sein Möglichstes tun, die Beziehungen zu Washington zu sabotieren. Wer die strategische Partnerschaft zwischen Großbritannien und den USA befürwortet kann nur hoffen, dass der neue Labour-Chef nicht die Stimme einer neuen Generation ist, sondern der letzte Seufzer einer alten.

La Repubblica, Italien

Populäre Botschaft

Nur wenige glauben, dass Corbyn mal Premier wird. Es scheint so, dass selbst seine Unterstützer Zweifel an seiner tatsächlichen Fähigkeit nähren, die Partei zu führen. Dennoch könnte Corbyn Cameron einige Probleme bereiten, wenn er sich, wie bereits in seiner Wahlkampagne, zum Sprecher der populären Anti-Austeritäts-Botschaft macht, und wenn er die tiefe Ungleichheit in der britischen Gesellschaft noch deutlicher vor Augen führt.

Politiken, Dänemark

Mangelnde Erfahrung

Corbyns zahlreiche Anhänger haben für einen Mann gestimmt, der Ideale hat und sie als Vegetarier und Pazifist auslebt. Sie sind froh, dass er nicht politisch korrekt ist, sondern sich großer Themen wie Armut, Ungleichheit und Klima annehmen will. Deshalb macht es weniger aus, dass er trotz einer langen Karriere nie einen herausragenden Posten besetzt hat, geschweige denn etwas angeführt. Im Gegenteil deutet viel darauf hin, dass gerade Corbyns mangelnde Erfahrung mit Macht für sich selbst gesehen eine Attraktion in den Augen vieler seiner Anhänger ist.

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