Dieter Glietsch soll Flüchtlings-Krisenstab leiten

Ex-Polizeipräsident kümmert sich ab sofort gemeinsam mit Sozialstaatssekretär Dirk Gerstle um die ankommenden Asylsuchenden

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.
Um die katastrophale Flüchtlingsunterbringung in den Griff zu bekommen, ruft der Senat einen Pensionär aus dem Ruhestand zurück: Der ehemalige Polizeipräsident Glietsch ist neuer Staatssekretär.

Ein Pensionär soll helfen, die Flüchtlingsunterbringung in Berlin zu meistern. »Ich dachte mir, es wäre eine hervorragende Unterstützung, wenn Dieter Glietsch wieder nach Berlin kommt«, sagte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) am Dienstag bei der Senatspressekonferenz im Roten Rathaus. Der Regierende griff selbst zum Hörer und suchte das Gespräch mit dem ehemaligen Polizeipräsidenten Glietsch, der die Berliner Polizei zwischen 2002 und 2011 wie kaum ein anderer zu einer bürgernahen Behörde umgekrempelt hatte.

Am Ende seiner Abwägungen entschied Glietschs Pflichtbewusstsein: »Bei so einer Frage sagt man nicht Nein«, erklärte Glietsch bei seiner Vorstellung als neuer »Flüchtlingsstaatssekretär« am Dienstag. Ihm gehe es in erster Linie um die Sache und eine wichtigere und vorrangige Aufgabe für Staat und Zivilgesellschaft gebe es derzeit nicht, als diese Menschen angemessen unterzubringen. Ab sofort soll der 68-Jährige gemeinsam mit Sozialstaatssekretär Dirk Gerstle (CDU) den »Koordinierungsstab für die Flüchtlingsunterbringung« in der Stadt leiten, der Mitte August ins Leben gerufen worden war. In dem Krisenstab arbeiten inzwischen 45 Verwaltungsmitarbeiter, das Gremium tagt 24 Stunden, sieben Tage die Woche. Während Gerstle weiter die fachliche Leitung innehat, wird Glietsch seine langjährige Verwaltungserfahrung als Organisationsleiter einbringen. »Ich bilde mir nicht ein, dass ich in den nächsten drei Tagen Probleme lösen könnte«, sagte Glietsch. Es müsse aber schnell Lösungen geben, die den Asylsuchenden über den Winter helfen.

Wie dringend die personelle Aufstockung auch auf der Führungsebene ist, zeigen die Zahlen der vergangenen zweieinhalb Wochen: Demnach kamen seit dem 5. September 9121 Flüchtlinge in Berlin an. So viele wie in den Jahren 2012 und 2013 zusammen. Insgesamt nahm die Hauptstadt in diesem Jahr bereits rund 32 000 Flüchtlinge auf. Auch in den kommenden Tagen werden wieder alle zwei Tage Sonderzüge aus München erwartet, die vor allem Asylsuchende aus den Kriegsgebieten im Nahen Osten nach Berlin bringen. Sie stellen inzwischen bis zu 90 Prozent der Ankommenden. Flüchtlinge aus den sogenannten Westbalkanstaaten kommen dagegen kaum noch nach Deutschland.

Bevor Glietsch zusagte, gab es ein ausführliches Gespräch mit Gerstle. Beide Leiter des Krisenstabes betonten bei der Pressekonferenz, dass ein Erfolg bei der Flüchtlingsunterbringung nur als Team zu erreichen sei. Neben dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller zeigte sich auch Sozialsenator Mario Czaja (CDU) »dankbar«, dass Glietsch überredet werden konnte, seinen Ruhestand in Nordrhein-Westfalen aufzugeben.

Die Opposition im Abgeordnetenhaus sah die Ernennung des neuen Staatssekretärs unterdessen kritisch. »Dieter Glietsch war ein guter Polizeipräsident, mit dem man früher vertrauensvoll zusammenarbeitete«, sagte der Fraktionsvorsitzende der LINKEN, Udo Wolf. Es mangele Berlin jedoch nicht an Staatssekretären, sondern nach wie vor an Mitarbeitern im Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) sowie menschenwürdigen Unterbringungsmöglichkeiten.

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