»Rein und raus«, ganz ohne Parlament

Verfassungsrichter zum Libyen-Einsatz der Bundeswehr 2011: Zur Not kein Bundestagsbeschluss

  • René Heilig
  • Lesedauer: 2 Min.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Rechte des Bundestages bei Auslandseinsätzen deutscher Streitkräfte gestärkt - und dennoch eine entsprechende Klage abgelehnt. Absurd? Nein.

Hat die Bundesregierung die Rechte des Parlaments verletzt? So lautete die grundsätzliche Frage, die in Karlsruhe zu entscheiden war. Worum ging es?

Am 26. Februar 2011 landeten zwei Bundeswehr-Transall-Maschinen nahe der Stadt Nafura in der libyschen Wüste. Das Land begann gerade im Bürgerkrieg zu versinken. An Bord der Flugzeuge waren zwölf schwer bewaffnete Fallschirmjäger und acht Militärpolizisten. Sie holten 22 Deutsche und 110 weitere EU-Bürger ab. Dabei fiel kein einziger Schuss.

Die Operation »Pegasus« war somit ein Erfolg und - wie die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung behauptete - kein bewaffneter Auslandseinsatz, sondern eine bewaffnete Rettungsmission der Bundeswehr.

Das sah und sieht die Opposition anders, die Grünen-Fraktion klagte daher vor dem Bundesverfassungsgericht, auch weil die Regierung es unterlassen hatte, vor dem Einsatz das Parlament zu befragen. Die Richter gehen gleichfalls davon aus, dass es sich um einen zustimmungspflichtigen Auslandseinsatz handelte. Zugleich wiesen sie die Klage ab.

Erklärt wurde dieser Spagat vom Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichtes so: Allgemein gilt der sogenannte Parlamentsvorbehalt für den Einsatz bewaffneter Streitkräfte, man braucht also vorab das Okay der Parlamentsmehrheit. Auch Einsätze mit »humanitärer Zielsetzung« oder »geringer Intensität und Tragweite« bedürfen dieser Zustimmung. Doch bei »Gefahr im Verzug« zur Rettung von Menschenleben ist die Regierung ausnahmsweise berechtigt, einen solchen Einsatz vorläufig alleine zu beschließen.

Im vorliegenden Fall von »Bundesregierung« zu sprechen, ist übertrieben. Eingeweiht waren nur Kanzlerin Angela Merkel, Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und Außenminister Guido Westerwelle (FDP).

Die Richter waren nicht bereit, der Regierung einen »eigenverantwortlichen Entscheidungsspielraum« wider die im Grundgesetz verankerte Zuständigkeit des Parlaments zuzubilligen. Sie betonten auch, dass die Regierung zum frühestmöglichen Zeitpunkt eine Entscheidung des Parlaments beispielsweise über den weiteren Einsatzverlauf herbeiführen muss.

Doch das ist im Fall »Pegasus« Theorie. Praktisch war der Kern der Operation zu diesem frühestmöglichen Zeitpunkt bereits beendet. Laut Bericht drang die erste Transall um 14.59 Uhr in den libyschen Luftraum ein, um 17.16 Uhr hatte die letzte Maschine ihn verlassen.

Dennoch - und so schrieb das Gericht der Regierung ihr Handeln bei vergleichbaren künftigen Operationen vor - muss die Regierung anschließend die Abgeordneten unverzüglich und qualifiziert über die Grundlagen ihrer Entscheidung und den Verlauf des Einsatzes unterrichten. Doch es bestehe keine Pflicht, nachträglich die Zustimmung des Bundestages einzuholen.

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