Der Boom setzt sich fort

Hochtief-Gruppe: Neubau geht nur mit niedrigeren Standards

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 3 Min.
Innenstadtgebiete wie Mitte und Friedrichshain, bleiben attraktiv fürs hochpreisige Wohnen, der Neubau verlagert sich jenseits des S-Bahnrings, meint die Hochtief-Gruppe.

Der Bauboom in Berlin setzt sich mit ungebremster Dynamik fort. Zum Stichtag 1.August wurde in einer von der Hochtief-Gruppe in Auftrag gegebenen Studie ein Projektentwicklungsvolumen von 9,1 Millionen Quadratmetern ermittelt, Erfasst wurden bei der Erhebung Wohn- Hotel- und Büroimmobilien, die seit Januar 2012 fertiggestellt wurden oder sich zum Stichtag in der Planung bzw. im Bau befanden und bis spätestens Ende 2019 bezugsfertig sein sollen. Nicht berücksichtigt wurden Einzelhandelsimmobilien, bei denen nach Jahren des Booms derzeit eine gewisse Marktsättigung zu verzeichnen ist.

Berlin gelte bei Investoren der Immobilienbranche nach wie vor als Hotspot, so Gordon Gorski, Geschäftsführer der Projektentwicklungssparte von Hochtief, am Dienstag bei der Vorstellung der Studie. Die positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, das anhaltend starke Bevölkerungswachstum und die wachsende touristische Anziehungskraft der Stadt bildeten zusammen mit den niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt den Nährboden für eine anhaltend starke Nachfrage in den genannten Sektoren. Dabei habe sich der Fokus der Projektentwickler in den vergangenen Jahren deutlich in Richtung Wohnungsbau verschoben, der gemessen an der Quadratmeterzahl mittlerweile über 70 Prozent des Fertigstellungs- und Planungsvolumens ausmache. »Für private Investoren versprechen Wohnungen derzeit mehr Rendite als Büro- oder Hotelneubauten«, so André Adami von dem mit der Untersuchung beauftragten Analyseunternehmen bulwiengesa AG. Allmählich mache sich auch die Kurskorrektur der Landesregierung in der Wohnungspolitik bemerkbar, denn der Anteil der städtischen Wohnungsbaugesellschaften am Neubau sei merklich gestiegen.

Gorski geht davon aus, dass dieser Trend anhalten wird. So benötige die Stadt durch den massenhaften Zuzug von Flüchtlingen mittelfristig mindestens 50 000 neue Wohnungen zusätzlich zu den ohnehin geplanten 20 000 pro Jahr. Der Senat habe bereits angekündigt, die soziale Wohnraumförderung auszubauen und die Liegenschaftspolitik entsprechend auszurichten. Allerdings seien diese Größenordnungen nur realisierbar, wenn geltende baurechtliche Standards für Neubauten teilweise abgesenkt werden. Das betreffe u.a. den Emissionsschutz, die energetischen Standards, die Abstandsgebote und Einschränkungen bei der Mischnutzung von Gebäuden. Dies werde derzeit »intensiv diskutiert«. Ferne zeichne sich »ein Trend zum Hochhaus« ab, auch als Möglichkeit der Verdichtung innerstädtischer Wohnquartiere. Sowohl Gorski als auch Adami gehen davon aus, dass sich das Neubaugeschehen besonders für das untere und mittlere Mietpreissegment zunehmend auf Randbezirke außerhalb des S-Bahn-Rings verlagern wird.

Dagegen gehe »der Markt« in begehrten Innenstadtlagen wie in den Stadtteilen Mitte und Friedrichshain immer noch von enormen Zuwachspotenzialen bei den zu erzielen Mieten oder Eigentumswohnungspreisen aus. Nach wie vor beobachte man »rein spekulativen Immobilienerwerb«, so Adami.

Für die angestammten Mieter in diesen Quartieren bedeutet dies wachsenden Verdrängungsdruck, für die Investoren die Aussicht auf horrende Gewinne. Die Gefahr einer Immobilienblase sieht Adami derzeit allerdings nicht. Zwar gebe es »gewisse Übertreibungen«, doch die Nachfrage nach Wohnungen oder auch ganzen Häusern in Top-Lagen sei stabil.

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