Freiwillige an die Syrien-Front?
Debatten in Russland um »internationalistische Hilfe« für Präsident Assad
Alle Kosten für die Syrien-Operation - laut offizieller Darstellung hat Moskau dort derzeit 50 Kampfflugzeuge und Hubschrauber stationiert - würden aus dem Militärhaushalt bestritten. Zusätzliche Belastungen, so Russlands Finanzminister Anton Siluanow, würden auf den Steuerzahler nicht zukommen. Jedenfalls nicht im laufenden Finanzjahr. Danach werde man sehen.
In der Tat: Russland ist bereit, auch Irak bei Terrorismusbekämpfung und Wiederherstellung seiner Staatlichkeit zu unterstützen, sollte die Regierung in Bagdad Moskau darum ersuchen. Das hatten Kreml und Außenamt bereits vor Beginn der Syrien-Operation erklärt. Richtig teuer indes könnte es werden, wenn Moskau Präsident Baschar al-Assad auch mit Bodentruppen zur Hilfe eilt.
Zwar hatte Sergej Iwanow, der Leiter des Präsidentenamtes, als er sich vorigen Mittwoch im Auftrag des Kremlchefs vom Senat die Entsendung von Truppen genehmigen ließ, Operationen am Boden explizit ausgeschlossen. Ebenso Wladimir Putin selbst: Russlands Hilfe beschränke sich auf Luftunterstützung für Assads Offensive gegen die Terroristen. Ähnlich hatte sich Montag auch Senatspräsidentin Valentina Matwijenko gegenüber ihrem jordanischen Amtskollegen Abdelraouf al-Rawabdeh geäußert.
Damit, befürchtet Sergej Kriwenko, der im Rat für Menschenrechte beim Präsidenten die Belange von Soldaten vertritt, sollte die öffentliche Meinung beruhigt werden. Durch das Mandat des Senats sei auch der Einsatz von Bodentruppen gedeckt. Schon am Freitag hatte daher Tschetschenen-Präsident Ramzan Kadyrow über die Zweckmäßigkeit von Kampfhandlungen am Boden räsoniert. Tschetschenische Freiwillige seien dazu bereit und würden den »Teufeln lange Beine machen«. Freiwillige will auch der Chef des Duma-Verteidigungsausschusses, Wladimir Komojedow, in die Spur schicken. Vor allem solche mit Kampferfahrung aus dem Donbass könnten auf Seiten Assads am Boden gegen den Islamischen Staat kämpfen, sagte er. Sie sollten in einem Bataillon oder in einer Brigade zusammengefasst werden, die in die syrischen Regierungstruppen integriert wird. Das wären bis zu 4000 Soldaten und damit auch finanziell eine ganz andere Größenordnung als die, mit der Moskaus Kassenwarte derzeit jonglieren.
Dennoch glauben Kolumnisten, Komojedow, Kommunist und bis 2002 Oberkommandierender der Schwarzmeerflotte, hätte sich ohne Auflassung von ganz oben kaum derart aus dem Fenster gelehnt. Die ersten Freiwilligen will der Westen sogar bereits gesichtet haben. Sie würden indes nicht für die Idee, sondern für Handfesteres kämpfen, glaubt die Tageszeitung »Kommersant«. Einfache Soldaten bekämen Kampfzulagen von umgerechnet 50 Dollar pro Tag. In der russischen Provinz viel Geld. Der Ansturm werde sich indes in Grenzen halten, glaubt das Blatt. Die »internationalistische Hilfe« für Afghanistan, für die 14 000 Sowjetsoldaten mit dem Leben zahlten, sei noch nicht so furchtbar lange her.
Auch Nahost-Experten, gewöhnlich so hoffnungslos zerstritten wie ihr Forschungsgegenstand, warnen unisono vor einer Ausweitung der Syrien-Operation. Der Westen sei auf Russlands Vorschlag einer Einheitsfront gegen IS nicht eingegangen, nun gäbe es zwei Koalitionen, die einander einen Sieg streitig machen wollen, der ohne eine politische Lösung nicht zu haben sei. Russland habe dabei die schlechtesten Karten. Das Bündnis mit den Schiiten - Iran, Irak und Syrien - würde das Verhältnis zur überwiegend sunnitischen arabischen Welt nachhaltig beschädigen. Und sogar das zum strategischen Partner China. Peking, warnt Jakow Berger vom Fernost-Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften, sei an gleich guten Beziehungen zu Iran und zum sunnitischen Pakistan interessiert, schließe sich daher keiner der beiden Koalitionen in Syrien an und könnte zudem seine Investitionen in Russland zurückfahren. Gebeutelt vom wirtschaftlichen Abschwung finanziere China nur noch Projekte mit Geld-zurück-Garantie. Die aber könne ein Krieg führendes Land nicht geben.
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