Muslime auf Merkels Stuhl

Mit dem «Muslimischen Forum Deutschland» betritt eine neue Organisation die Bühne der islamischen Interessenvertretungen

  • Fabian Köhler
  • Lesedauer: 3 Min.
Rechtliche Gleichheit mit den christlichen Kirchen fordern muslimische Vereine - doch so einfach ist das gar nicht. Es fängt schon mit der großen Zahl der Muslim-Verbände an. Und es werden mehr.

Es ist kompliziert mit den islamischen Interessenvertretungen in Deutschland. Eigentlich wollen sie den vier Millionen Muslimen zu Gehör und Rechten verhelfen; islamische Verbände den christlichen Kirchen gleichstellen; für Gebetsräume und Imame sorgen; helfen, das Image und die Integration von Muslimen zu verbessern. In der öffentlichen Debatte geht es aber immer um ganz andere Fragen: Wer hat den größeren Mitgliederstamm? Wer bekommt woher seine Gelder? Wer darf für die Mehrheit der Muslime sprechen, die gar nicht in Vereinen organisiert sind? Wer kann sich mit dem Label «liberal» schmücken und wer gilt als konservativ. Und wieso darf immer nur Aiman Mazyek im Fernsehen neben Angela Merkel stehen? Mazyek ist Vorsitzender des Zentralrates der Muslime, einer der deutschen Dachverbände.

Ein Player mit ganz eigenen Antworten hat am Freitag das hart unkämpfte Feld der islamischen Orga-Szene betreten: das «Muslimische Forum Deutschland». Und zumindest auf den selben Stühlen wie sonst Angela Merkel durften seine beiden Repräsentanten schon einmal in der Bundespressekonferenz Platz nehmen. So unbedeutend der nur ein paar Dutzend Mitglieder umfassende Verein bisher auch war, so prominent sind seine Gesichter. Der eine, der Münsteraner Professor Mouhanad Khorchide, ist so etwas wie der aktuelle Popstar der islamischen Theologie. Den anderen, Initiator des Forums, Ahmad Mansour, kennen Fans des Öffentlichen-Rechtlichen Fernsehens als beliebten Diskussionspartner zu Salafismus und muslimischem Antisemitismus. Mitgebracht hatten beide neben «17 Berliner Thesen» einen Beitrag zur Flüchtlingsdebatte.

So warnten sie etwa davor, dass ein Mangel an staatlicher Betreuung für Flüchtlinge salafistischen Helfern die Tore öffne. «Anfällig werden diese Menschen, wenn sie im Stich gelassen werden. Und anfällig werden sie, wenn wir sie nicht nachhaltig betreuen, ihnen die Mehrheitsgesellschaft nicht positiv zeigen,» sagte Mansour. Sorgen gegenüber muslimischen Flüchtlingen müssten ernstgenommen werden. Kritische Haltungen gegenüber dem Islam würden tabuisiert.

Nicht ungewöhnlich klingt das vom Pult der Bundespressekonferenz, als Schwerpunkt der Arbeit einer muslimischen Interessenvertretung ist es dennoch ein Novum. Und auch die übrigen Thesen erweckten den Eindruck, das «Muslimische Forum» vertrete weniger Muslime gegenüber dem deutschen Staat als den deutschen Staat gegenüber Muslimen. Die Schlagwörter: «Selbstbestimmungsrecht der Frauen», «Kopftuch», «Schwimmunterricht», «Sexualkunde», «religiös motivierte Gewalt», «Trennung von Kirche und Staat», «Grundgesetz».

Im April hatte sich die Gruppe aus überwiegend intellektuellen und prominenten Muslimen und einigen Nicht-Muslimen gegründet. Schon nach seiner Gründung hatte das Muslimische Forum, dessen Gründung von der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung ermöglich wurde, Kritik etablierter Islamverbände ausgelöst. Denn so pluralistisch sich der Verein in Fragen der konfessionellen Zusammensetzung aus Sunniten, Aleviten, Jesiden, Christen … gibt, so homogen ist seine politische Ausrichtung. Alle Mitglieder sind Vertreter jenes Spektrums, welches im öffentlichen Diskurs meist als «liberal» gilt - im Gegensatz zu den als konservativ bezeichneten großen Islamverbänden. Einigen «Liberalen» werden gar islamfeindliche Positionen vorgeworfen - so dem Publizisten Ralph Ghadban, dem Sprecher des Christlich-Alevitischen Freundeskreises der CDU Ali Yildiz oder der Journalistin Cigdem Toprak.

«Menschenverachtende Hassideologien, ob antimuslimischer, antisemitischer, rassistischer, deutschfeindlicher oder homophober Natur», lehne man ab«, verspricht das Forum in einer seiner Thesen. Und hinter dem Tisch der Bundespressekonferenz forderte Mouhanad Khorchide einen Islam, der sich »Ohne Wenn und Aber für die demokratischen Grundwerte unserer Gesellschaft bekennt. Wir vertreten einen Islam, der ohne Wenn und Aber hinter den Menschenrechten steht«, sagt Korchide. Bleibt die Frage: Sagen das die anderen Islamverbände nicht auch?

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