Grüne Quadriga soll 2016 Wahlsieg erzielen
Antrag für Spitzenkandidatur von Landesvorsitzenden und Fraktionsvorsitzende wird auf Parteitag am Sonnabend eingebracht
Der Stachel der Niederlage sitzt tief. Zwar stehen die Grünen weiterhin zu der Entscheidung aus dem Jahr 2011, mit Renate Künast eine eigene Spitzenkandidatin ins Rennen um das Amt des Regierenden Bürgermeisters in Berlin geschickt zu haben, sagt die Landesvorsitzende Bettina Jarasch. Aber der damalige Absturz von 30 Prozent in den Umfragen auf am Ende mäßige 17,6 Prozent bei der Abgeordnetenhauswahl selbst hängt der Partei immer noch nach. Zu der traumatischen politischen Erfahrung zählen sicher auch die im Anschluss geplatzten Koalitionsverhandlungen mit der SPD und der erneute Gang in die Opposition.
All das soll nicht wieder vorkommen: Die Grünen wollen bei der nächsten Wahl wachsen und als Teil einer künftigen Koalition mit Verantwortung übernehmen. Dieses ambitionierte Ziel hat sich die neue Spitzengruppe der Grünen gesetzt. »Wir schlagen dem Landesparteitag vor, dass die Landesvorsitzenden und die Fraktionsvorsitzenden als Team zur Abgeordnetenhauswahl antreten«, sagt Daniel Wesener. Der Landesvorsitzende wäre der einzige Mann in der Grünen Viererbande, die neben der Landesvorsitzenden Bettina Jarasch noch durch die Fraktionsvorsitzenden im Abgeordnetenhaus, Ramona Pop und Antje Kapek, komplimentiert werden würde. Die Zustimmung beim Landesparteitag am kommenden Freitag soll ein »Signal« senden, endgültig gewählt werden die Spitzenleute jedoch erst durch die Landesmitgliederversammlung im März 2016. Aus der Flügelperspektive ist das Team austariert, ein Linker und eine Linke (Kapek) bilden mit zwei Reala-Frauen (Jarasch und Pop) die Spitze. Dass die Grünen sich nicht bis zum kommenden Frühjahr mit der Personalentscheidung Zeit lassen, dürfte nicht zuletzt auch mit der politischen Konkurrenz zusammenhängen. Bei der SPD (Michael Müller), und der CDU (Frank Henkel) sowie der Linkspartei (Klaus Lederer) stehen die Frontmänner fest. »Wir müssen sprechfähig werden«, sagt der Landesvorsitzende Wesener.
Eile tut auch deshalb not, denn der Wahlkampf hat längst begonnen. Am deutlichsten wird das am Thema Asyl, das auch die Landesdelegiertenkonferenz der Grünen politisch überschattet. In einem Dringlichkeitsantrag setzen sich der Landesvorstand und weitere dafür ein, eine vorausschauende Flüchtlings- und Integrationspolitik zu betreiben. »Wir müssen verhindern, dass noch Schlimmeres passiert und weitere Behörden wie das LAGeSo oder die Ausländerbehörde kollabieren«, sagt Daniel Wesener mit sorgenvollem Blick auf die Sozialämter der Bezirke, die bald eine fünfstellige Zahl von Asylsuchenden betreuen müssen.
Eng verknüpft mit dem Thema Zuzug nicht nur von Flüchtlingen ist die wachsende Stadt. Zu der Debatte um Neubau und Verdichtung hat die Partei einen eigenen Leitantrag verfasst. »Wir wollen nicht nur, dass die Bevölkerung wächst, sondern auch die Lebensqualität«, sagt Wesener. Unter dem Motto »Berlin wächst Grün« geht es auch um Kernthemen der Ökopartei: Bessere Luft, weniger Lärm und Müll, mehr Stadtnatur. Plakativ zugespitzt auch in der Forderung der Grünen nach dem künftigen Baden in der Spree.
Ein weiterer inhaltlicher Schwerpunkt des Landesparteitages ist die Familienpolitik. »Wir wollen in sämtlichen Bezirken ein Familienleistungsbüro einrichten«, kündigt Bettina Jarasch an. Zielgruppe der Grünen sind dabei auch die rund 150 000 Alleinerziehenden in der Stadt. Investitionen werden vor allem in Bildungseinrichtungen wie Schulen gefordert. Ob es bei diesen politischen Schwerpunktsetzungen der Grünen bleibt, wird sich zeigen. »Jeder Wahlkampf erfordert andere Antworten«, sagt Jarasch. Einsame Alpha-Entscheidungen soll es in dem Team jedenfalls nicht geben. Die Ausgangssituation in den Umfragen ist stabil, um die Werte zu steigern, wird sich die Viererbande allerdings ab sofort ordentlich ins Zeug legen müssen.
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