Vernebelt, verquollen

Botho Strauß ist ein Fundamentalist, der erneut den deutschnationalen Käse breit tritt

  • Thomas Blum
  • Lesedauer: 4 Min.

Weil er sein bereitwilliges Mitwurschteln im Kulturbetrieb gut verschleiert, indem er sich als der sich in der Uckermark verschanzende Hochleistungsgrübler und Einsiedler inszeniert, und weil diese clevere Selbstinszenierung von diensteifrigen Medien seit Jahr und Tag begeistert geglaubt und brav apportiert wird, gilt Botho Strauß, der oberste Rauner und Dichterpriester der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, unter hiesigen Betriebsangehörigen seit Jahrzehnten als gigantomanisch kluger Quer-, Tief- und Großdenker bzw. als »kritischer Zeitdiagnostiker«. Dabei sind die Texte, die der »Stefan-George-Imitator« (»Konkret«) produziert, unterzieht man sie einmal einer genaueren Prüfung, nichts anderes als geschwollenes Zeug bzw. »tranige Edelschickeriaprosa« (Eckhard Henscheid).

Strauß’ Arbeitsweise als Schriftsteller und Intellektuellendarsteller sei an dieser Stelle mit einem Beispiel illustriert, das man in seinem Roman »Die Fehler des Kopisten« aus dem Jahr 1997 findet. Darin ist an einer Stelle von Kühen die Rede, die unbeweglich herumstehen und sich hie und da ihres Darminhalts entledigen, wie Kühe das nun mal so tun. Zitat Botho Strauß: »Die Kühe haben wieder dieses tiefe Stehenbleiben, in dem sie verdauend auf das Wetter fühlen.« Strauß macht das oft so: Noch das dürftigste Geschehen bläht er zum zauberisch-wunderbaren Großereignis auf und verkleidet so auch oft die armseligste Gedankensimulation als philosophische Spitzenleistung. Im närrischen »Bemühen, der handgreiflichen Banalität des Alltags wie der eigenen Phantasien durch sprachliche Stilisation noch etwas Sinnstiftung abzupressen, wird das Beschriebene erst richtig erniedrigt«, schrieb Magnus Klaue in »Konkret«. Weil Strauß seine Besinnungsaufsätze gern mit Goldrand verziert und mit allerhand heideggerianisch-esoterischem Sprachgewölk zukleistert, wird er hierzulande - wo man schon immer das Wolkige, Vernebelte, Verquollene und die schwer vergeistigt daherkommende Nullnummer fälschlich für Großkunst hält - herumgereicht als eine Art numinoser Weltweiser.

Nun könnte man sagen: Lasst dem Mann doch sein Hobby, das ja obendrein seine Verdienstquelle ist. Lasst ihm doch die Borniertheit des »über die Moderne lästernden Frührentners« (»Konkret«), die ja gewissermaßen sein »Markenkern« als Schriftsteller ist, wie man heute sagen würde. Soll er, den die Zeitschrift »Tip« bereits 1985 als »Meister des unfreiwilligen Humors« enttarnte, halt Bücher vollmachen mit seiner neuromantischen Hefeteigprosa und diese auch gewinnbringend unter die Feuilletonschwafelköpfe, nationalen Schriftleitungsbeauftragten und lesenden Zahnärzte bringen. Man kann das Zeug ja ignorieren, wenn man will.

Gefährlich wird sein Geschwurbel allerdings stets dann, wenn er sich, wie jetzt, in eine öffentliche »Debatte« einschaltet. Mit seinem neuesten Streich, einem Aufsatz mit dem Titel »Der letzte Deutsche« - abermals in der Illustrierten »Spiegel« veröffentlicht, nachdem der Autor sich dort bereits vor 22 Jahren mit einem »Anschwellender Bocksgesang« betitelten wirren Pamphlet (schon der Titel wirft sich in die Pose des theatralisch die Arme zum Himmel erhebenden einsamen Rauners und Mahners) als völkischer Spinner geoutet hat - tritt er nochmal denselben deutschnationalen Käse breit: »Ja, es ist mir, als wäre ich der letzte Deutsche«, zitiert Strauß sich selbst in einem Land, in dem an sich deutsch fühlenden Deutschen, die dieses Gefühl auch rund um die Uhr auf allen Kanälen hinausposaunen, weißgott kein Mangel herrscht.

Dann folgt das Übliche. Er lamentiert über seinen »kulturellen Schmerz«, den er zu empfinden meint, weil die Medienhalunken und die »medialisierten Menschen« (vulgo: Leute, die das Internet nutzen) ihm sein liebgewonnenes »Sittengesetz« wegstehlen und das Heideggerlesen verbieten wollen, und bekennt seine tief in ihm sitzenden Ängste: die Angst, dass die »entwurzelten« (Straußisch für »grob, banausisch, ungebildet«), ihrer Geistesgeschichte beraubten Unterschichtdeutschen irgendwann nur noch RTL2 gucken, die Angst, dass seine betuliche Pickelhauben- und Gartenlaubenliteratur (»Hüter und Pfleger der Nation«, »sich neu beheimaten«) als Gattung ausstirbt (was ein rechter Segen für alle wäre), und die Angst, dass in Scharen ungewaschene Ausländer und andere »grundsätzlich amusische Andersgeartete« (Strauß) nach Deutschland kommen und ihm seine Ernst-Jünger-Gedächtnismünzen und seine Klopstock-Ausgabe wegnehmen.

Es ist die alte Angst des Pegida-Trottels, der sich das Lügenpresseschreien nicht verbieten lassen will und, wenn er bis Vier zählen kann, beim Aufzählen seiner gesammelten Ressentiments auch gerne die populären Arschgeigenbegriffe »Volk«, »Entwurzelung«, »Entartung« und »Identität« aneinanderreiht, wie Strauß das tut. Es ist der immergleiche Sums gegen die von ihm herbeiphantasierten »Verhaltensbefehle« der »politisch Korrekten«, nur schlechter und verblasener formuliert, ins Bothostraußsche übersetzt, in die Sprache des eitlen Feuilletongockels und abendländischen Bildungsbewahrers, damit auch der studierte »Spiegel«-Leser es liest und herumzeigt: »Aufgepasst, der Onkel Strauß spricht!«

Dietmar Dath nahm Strauß schon vor 14 Jahren als einen »Tropf« wahr, »der (...) nur noch über ein geradezu mitleiderregend schmales, offenbar im Halbjahrestakt jeweils um die Hälfte sich verdünnisierendes Repertoire von Klagelauten gebietet«. Geantwortet hat Dath dem Tropf dennoch auch jetzt wieder. In der »FAZ« nennt er Strauß’ jüngste Einlassungen ein »überreiztes, allerlei Dolchstöße und Verschwörungen andeutendes Geraune« und stellt klar: »Das Deutschtum, das er verabschiedet, ist bei uns leider unsterblich.«

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