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El Niño bedeutet Hunger

Das Wetterphänomen trifft Millionen Familien in ländlichen Gegenden, die schon in normalen Zeiten arm sind

  • Tharanga Yakupitiyage
  • Lesedauer: 4 Min.
Dürren in Asien, Zentralamerika und Afrika bedrohen die Nahrungsmittelsicherheit von Millionen Menschen. Schuld sind steigende globale Temperaturen und das Wetterphänomen El Niño.

Das Klimaphänomen El Niño sorgt für eine untypische Erwärmung des Pazifiks, die Überschwemmungen und Dürren in tropischen und subtropischen Gebieten nach sich zieht. Wetterexperten gehen davon aus, dass der diesjährige El Niño einer der stärksten der letzten 60 Jahre ist und bis ins erste Halbjahr 2016 wirken wird. Laut einem Oxfam-Bericht hat er schon in verschiedenen Regionen der Welt für große Schwankungen der Niederschlagsmengen gesorgt und Ernten zerstört. Das Wetterphänomen trage nicht nur selbst zu schwierigen Lebenssituationen bei, sondern verstärke auch bereits bestehende Notlagen, so die Entwicklungsorganisation.

Dem Bericht zufolge herrscht in Zentralamerika bereits seit zwei Jahren eine schwere Dürre, durch die die Maisernte um 69 bis mehr als 80 Prozent eingebrochen ist. Da dieses Getreide das wichtigste Nahrungsmittel der Region ist, fehlen Lebensmittel, um alle Menschen ausreichend zu versorgen. Laut dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen sind von der Dürre bereits rund 3,5 Millionen Menschen betroffen. Guatemala, Honduras und El Salvador haben für die betroffenen Regionen den Notstand ausgerufen und erste Hilfsmaßnahmen eingeleitet. Am meisten betroffen sind Familien in ländlichen Gegenden, die schon in normalen Zeiten arm sind.

In Kalifornien wird wegen des ungewöhnlich warmen Pazifikwassers nach langer Dürre nun mit dem Gegenteil gerechnet: heftigen Stürmen mit der Gefahr von Erdrutschen, Überschwemmungen und Lawinen.

In Asien hat El Niño für eine Abschwächung des Monsunregens über Indien gesorgt, weshalb auch hier mit einer schweren Dürre zu rechnen ist, die die Nahrungsmittelsicherheit bedroht. In Indonesien gerieten Feuer, mit denen Plantagenbesitzer ihre Felder für Neupflanzungen vorbereiten, außer Kontrolle und verursachten schwere Waldbrände. Der Smog zog bis in die Nachbarstaaten Singapur und Malaysia.

Äthiopien droht nach Angaben des UN-Welternährungsprogramms die schlimmste Hungerkrise seit Jahrzehnten. In dem ostafrikanischen Land seien aufgrund einer schweren Dürre bereits 4,5 Millionen Menschen auf Nahrungsmittelhilfen angewiesen, bis Jahresende werde die Zahl voraussichtlich auf 7,5 Millionen Männer, Frauen und Kinder steigen. Wenn eine weitere Ernte wegen Regenmangel ausfällt, könnten im nächsten Jahr sogar bis zu 15 Millionen Menschen von Hunger bedroht sein, das wäre jeder sechste Einwohner Äthiopiens. In einigen Regionen ist schon heute jedes fünfte Kind mangelernährt.

Auch im südostafrikanischen Malawi leiden rund drei Millionen Menschen Hunger, weil Niederschläge unregelmäßig ausfallen und einerseits Dürren, andererseits Überschwemmungen das Land überziehen. So fallen die Ernten gering aus und die Nahrungsmittelpreise steigen stark an. Nach Angaben der britischen Hilfsorganisation Christian Aid ist im Jahr 2014 allein die Ernte beim wichtigen Nahrungsmittel Mais um 30 Prozent gesunken. Dadurch stiegen die Preise um 50 bis 100 Prozent an. 630 000 Menschen sind der Organisation zufolge von schweren Überschwemmungen betroffen. Viele haben nicht nur ihre Häuser verloren, sondern auch Nutztiere und Ernten sind den Fluten zum Opfer gefallen. Zudem bestehe die Gefahr, dass Wasserquellen kontaminiert werden.

»Die meisten der betroffenen Menschen in Malawi leben sowieso schon von nur einem US-Dollar pro Tag«, sagt MacDuff Phiri vom regionalen Christian-Aid-Büro. »Nun wurde ihr gesamter Besitz einfach weggeschwemmt. Die Menschen wissen nicht, wie sie sich jetzt ernähren sollen.« Um der Nahrungsmittelkrise in Malawi adäquat zu begegnen, fehlten aktuell 130 Millionen US-Dollar an Hilfsgeldern.

Oxfam hat die Regierungen der betroffenen Regionen genauso wie die internationale Gemeinschaft aufgefordert, sofort Hilfsmaßnahmen einzuleiten, aber auch auf Prävention zu setzen, um noch nicht betroffene Regionen zu schützen. Sollte dies nicht geschehen, dann müsse mit schweren Folgen der sich verschärfenden Dürre gerechnet werden. Im Jahr 2011, als Hilfsmaßnahmen nicht schnell genug eingeleitet worden waren, seien am Horn von Afrika 260 000 Menschen gestorben. »Wenn Regierungen und internationale Organisationen jetzt aktiv werden - wie dies einige bereits tun -, dann können humanitäre Krisen im kommenden Jahr noch verhindert werden«, heißt es im Oxfam-Bericht.

Die drohende Krise unterstreicht nach Ansicht der Entwicklungsorganisation auch die Notwendigkeit, auf dem UN-Klimagipfel Ende des Jahres in Paris ein ambitioniertes Abkommen gegen den Klimawandel zu verabschieden. »Der Erfolg von Paris wird sich daran messen, ob das Abkommen die Staaten auf ausreichend Klimaschutz einschwört, um die globale Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen«, sagte Marita Wiggerthale, Agrarexpertin von Oxfam Deutschland. Zudem müssten sich die reichen Länder dazu verpflichten, die armen Länder angemessen bei der Anpassung an die klimatischen Veränderungen finanziell zu unterstützen.

Wissenschaftler sagen voraus, dass besonders intensive El Niños wegen des Klimawandels zweimal häufiger als früher auftreten könnten. Zudem seien die Wetterentwicklungen des El Niño wegen des Klimawandels schwerer vorherzusagen. Die letzten Mega-El-Niños gab es in den Jahren 1972/1973, 1982/1983 und 1997/1998. Doch auch danach ist das Wetterphänomen aufgetreten: in den Jahren 2002/2003, 2004/2005, 2006/2007 und 2009/2010. Laut der US-amerikanischen Wetterbehörde NOAA war 2014 das heißeste Jahr seit Beginn der Messungen 1880. Das Jahr 2015 wird diesen Rekord vermutlich noch übertreffen. IPS/nd

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