Im Kern alt aber attraktiv

Städte mit historischer Mitte geben sich kämpferisch - Berliner Stadtteile zeigen Interesse

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.
Inzwischen mache es ihm Spaß, die historischen Innenstädte zu besuchen, sagt Treuenbrietzens Bürgermeister Michael Knape. Er steht der von 31 historischen Städten gebildeten Arbeitsgemeinschaft vor.

»Es schütze uns des Kaisers Hand vor Groß-Berlin und Zweckverband« Mit diesem Ruf versuchte sich vor 120 Jahren der Ort Spandau der Eingemeindung nach Berlin zu widersetzen. Vergeblich, wie man weiß. Doch scheinen die Gelüste Spandaus noch nicht völlig erloschen, sich wieder als märkisch zu fühlen. Wie Michael Knape (parteilos), Vorsitzender der »Arbeitsgemeinschaft Städte mit historischem Stadtkern«, am Donnerstag auf der Mitgliederversammlung in Potsdam bekannt gab, hat Spandau Interesse signalisiert, diesem bislang rein brandenburgischen Bund beizutreten. Auch im Berliner Stadtteil Köpenick denke man darüber nach.

Dessen ungeachtet forderte Knape dazu auf, die gemeinsame Arbeit kritisch zu hinterfragen: »Sind unsere Projekte wirklich so erfolgreich und zielführend?« Auch zeigte er sich mit »zehn Prozent« der Mitglieder unzufrieden: Es gebe Mitgliedsstädte, da müsse man fragen, ob sie sich wirklich einbringen wollen, so Knape.

Die Attraktivität der Städte hänge vielfach von ihrer Anziehungskraft für Touristen ab, unterstrich der Bürgermeister der Kleinstadt Treuenbrietzen im Fläming. Es sei das eine, beispielsweise Fahrradwege zu bauen. Nur müssten sie dann auch unterhalten und gepflegt werden. Leider sei festzustellen, dass immer wieder Schilder fehlten: »Es gibt scheinbar Jäger und Sammler für alles.«

In einem Grußwort versicherte Bauministerin Kathrin Schneider (parteilos) den versammelten Kommunalvertretern, dass die knapp 80 Millionen Euro für die Städtebauförderung »relativ stabil« auch in den kommenden Jahren vom Bund überwiesen werden. Sie empfahl den Mitgliedskommunen, »mit einer gebündelten Meinung, als eine gebündelte Kraft« für die gemeinsamen Interessen einzutreten. Ihr Haus arbeite zum Beispiel daran, im Frühjahr 2016 den überarbeiteten Landesentwicklungsplan vorlegen zu können, was die Abstimmung mit Berlin einschließe.

Auf das Thema Mobilität eingehend sagte Schneider, der Bevölkerungsrückgang im Land bedeute nicht zwingend, dass auch das Fahrgastaufkommen für die Bahnen abnehme. Vielmehr sei wieder ein stärkerer Zuzug in die Landstädte und damit in Bahnhofsnähe zu beobachten. Das könne durchaus dazu führen, dass die Züge wieder voller werden. Sie gehe davon aus, dass der regionale Schienenverkehr zunimmt.

Der Oberbürgermeister von Herzberg (Elbe-Elster), Michael Oecknigk (CDU), konfrontierte die Ministerin daraufhin mit der Frage, wie es sein könne, dass es der bevorstehende Fahrplanwechsel jenen, die von Herzberg aus zum Dienst pendeln müssen, nahezu unmöglich machen werde, ihre Arbeitsorte in Ludwigsfelde oder gar in Sachsen auch zu erreichen. Zudem beschwerte er sich darüber, dass das denkmalgerecht sanierte Gymnasium im Stadtzentrum nach dem Willen des Kreises geschlossen werden soll und die 400 Schüler künftig in ein entferntes Oberstufenzentrum umziehen müssen. »Das wäre fatal.« Dieser Schritt würde »rein fiskalisch« begründet.

Schreiber räumte ein, dass es wegen der Anschlüsse Schwierigkeiten gebe und verwies auf die »Baustelle der Bahn Berlin-Dresden«. Doch werde sie den Verkehrsverbund auf das Problem aufmerksam machen.

Für Erregung sorgte wie erwartet auch das Thema Kreisreform. Dietlind Thiemann (CDU), Oberbürgermeisterin von Brandenburg/Havel, beklagte, dass ein Abteilungsleiter in Schneiders Ministerium beim Bürgerdialog nur noch von »Oberzentren« und nicht mehr von kreisfreien Städten gesprochen habe. Man gewinne den Eindruck, dass die »Einkreisung« der großen Städte allen Debatten zum Trotz in der Landesregierung längst beschlossene Sache sei. Mit den Worten »Ich fische nicht in fremden Teichen« spielte die Ministerin den Schwarzen Peter dem zuständigen Innenministerium zu. Der Gebrauch solcher Begriffe greife aber nicht künftigen Festlegungen der Kreisreform vor, betonte sie dann.

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