Wohnhäuser, auf Arsen gebaut
Bayerns größte bewohnte Altlast ist endlich saniert
Schonungen. Jahrzehntelang waren 120 000 Quadratmeter Boden mitten in einem Wohngebiet der Kommune Schonungen im bayerischen Landkreis Schweinfurt schwer verseucht. 2001 hatte man festgestellt, dass auf dem Areal, wo bis 1930 das gefragte »Schweinfurter Grün« produziert wurde, der Boden gefährliche Werte aufweist. In bis zu neun Metern Tiefe wurden auf dem Gelände der ehemaligen Chemie- und Farbenfabrik Sattler und an einem Bach entlang Rückstände von giftigem Arsen, Blei und Kupfer in hoher Konzentration gefunden. Nun, 15 lange Jahre später, ist das Wohngebiet endlich komplett entgiftet.
Ende September wurde die Sanierung von Bayerns größter bewohnter Altlast offiziell abgeschlossen worden. »Das war eine Operation am offenen Herzen«, sagt Schonungens Bürgermeister Stefan Rottmann (SPD).
Die Gemeinde war im Grunde über Jahre eine Großbaustelle. Es wurde gebohrt und gebaggert. Fünf Häuser mussten abgerissen werden. Die Erschütterungen der Bauarbeiten waren auch eine Belastungsprobe für die teils jahrhundertealten Häuser, die mitten im Sanierungsgebiet standen. Mehr als 100 Grundstücke mussten deshalb intensiv mittels Erschütterungsgeräten beobachtet werden. »Aus Sicherheitsgründen mussten die Bauarbeiten nicht nur einmal unterbrochen werden«, so der Leiter des Umweltamtes des Landkreises, Volker Leiterer.
Fast 140 000 Tonnen Erde wurden seit August 2012 ausgehoben und zur Deponie gefahren, mehr als 34 000 Lkw-Fahrten mussten die Anwohner deshalb in Kauf nehmen. »Das war schon Stress für alle«, so der Amtsleiter weiter. Die Altlastensanierung galt wegen der engen Wohnbebauung als eine der schwierigsten in Deutschland.
Der kontaminierte Boden wurde zu einer Mülldeponie transportiert, wo er je nach Verseuchungsgrad sortiert und fachgerecht entsorgt wurde. Rund 475 Tonnen des Aushubes waren mit Halb- und Schwermetallen belastet. »97 000 Tonnen kamen nach der Analyse direkt unter Tage in ein Salzbergwerk in Heilbronn«, sagte Leiterer. In einigen Bereichen waren bei der ersten Bestandsaufnahme rund 150 Gramm Arsen auf einem Kilogramm Erde gefunden worden. Schon 0,1 Gramm in den Körper aufgenommenes Arsen ist tödlich.
40 Millionen Euro hat die Sanierung der Sattler-Altlast in Schonungen gekostet. Den Großteil davon zahlt das Land. Die städtebauliche Erneuerung auf der Zwölf-Hektar-Fläche hat nach Angaben des Landratsamtes noch einmal etwa 4,5 Millionen gekostet. Die kleine 7600-Einwohner-Gemeinde Schonungen hat 2,8 Millionen Euro davon selbst getragen.
Die Farbenfabrik Sattler war 1814 gegründet worden, das von ihr hergestellte »Schweinfurter Grün« fand im 19. Jahrhundert als Malerfarbe Verwendung. Es wurde wegen seiner Farbintensität und Lichtechtheit geschätzt, allerdings war seine Giftigkeit schon früh bekannt. Zudem wurde es seinerzeit als eines der ersten Pflanzenschutzmittel eingesetzt.
Die Anfang 2001 in Schonungen gefundenen Arsen-Konzentrationen überschritten den erlaubten Wert fast um das 400-fache. Daraufhin wurden auch die Anwohner getestet, die aber nach damaligen Angaben des Landratsamtes nicht mit Blei, Arsen und Cadmium belastet waren.
Für den Schonunger Bürgermeister Rottmann ist der Abschluss der Sanierung nun vor allem eine Wiedergeburt ohne das negative Image. Auf dem nun wieder jungfräulichen Gelände entlang des Baches sind Grünflächen, ein Seniorenwohnheime und Einfamilienhäuser geplant. dpa/nd
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