Wundersame Harfenistin

Joanna Newsom gibt ein Konzert im Admiralspalast

  • Lesedauer: 2 Min.

Fünf Jahre war Joanna Newsom alt, als sie ihre Eltern fragte, ob sie Harfe lernen könne. Die beiden Ärzte, selbst leidenschaftliche Musiker, erlaubten es ihr. Doch der Harfenlehrer lehnte ab. Das Kind sei noch zu jung und solle erst einmal Piano lernen. Wenige Jahre später begann die in dem kleinen kalifornischen Ort Nevada City Aufgewachsene mit dem Harfenunterricht, zunächst an der kleinen Keltischen, dann an der großen Doppelpedalharfe. »Meine gesamte Jugend und Teenagerzeit habe ich nichts anderes gemacht, als Harfe zu spielen.« Man müsse ihr die Hände abhacken, um das zu stoppen, erzählte sie 2006 der Musikzeitschrift »Wire«.

Diese hatte sich anlässlich der Veröffentlichung ihres zweiten Albums auf die Suche nach der wundersamen Joanna Newsom begeben. In der Tat war ein Erklärungsversuch notwendig. Denn eine Musik, wie sie auf »Ys« zu hören ist, hatte man bis dato noch nicht vernommen. Ein ungewöhnlicher, leicht mädchenhafter Gesang, eine Harfe als dominantes Instrument, orchestrale Arrangements von Van Dyke Parks, komplexe epische Texte, die vom Interesse Newsoms für romantische Literatur zeugen, und Songs, die zum Teil die 17-Minuten-Grenze überschritten. All das verschmolz, aufgenommen von Steve Albini und abgemischt von Jim O’Rourke zu einer Musik, deren Schönheit nicht von dieser Welt zu stammen scheint. Wollte man sie mit herkömmlichen Begriffen beschreiben, so wären Folk, Kammerpop, Avantgarde und Polyrhythmik notwendige Krücken. Die Kritiker überschlugen sich mit Lobeshymnen und stellten Vergleiche mit Joni Mitchell oder Kate Bush an.

Das setzte sich fort, als 2010 das nicht minder beeindruckende Tripple-Album »Have One on Me« erschien. Das fiel weniger orchestral aus, manche der 18 Stücke werden nur durch Newsoms Piano getragen. Nach einer fünfjährigen Pause ist jüngst ihr viertes Album »Divers« erschienen, das formal recht konventionell ausfällt. Keine Viertelstundensongs, keine Gesamtlänge von zwei Stunden. Die elf Stücke sind fokussierter und im Detail ausgefeilter als auf der Vorgängerplatte. Auf dem Backcover sieht man Newsom wie Gott über den Wolken schweben. Es mag nicht ihr bestes Album sein, aber das ist Klagen auf dem allerhöchsten Niveau. Joanna Newsom ist und bleibt die wundersamste Musikerin. Vor allem im Konzert. Guido Speckmann

Joanna Newsom, 5.11., Einlass 18.30 Uhr, Admiralspalast, Friedrichstraße 101, Mitte

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