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Quereinsteiger

Stephan J. Kramer wird Chef des Thüringer Verfassungsschutzes

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 2 Min.

Eigentlich wollte Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (LINKE) das Landesamt für Verfassungsschutz ja abschaffen. Davon musste man in der Regierungsbildung Abstand nehmen. Doch wurde zumindest die im Licht der NSU-Affäre besonders fragwürdige V-Mann-Praxis erheblich eingeschränkt. Und der Laden, bei wohlwollender Deutung gehörig aus dem Ruder gelaufen, ist keine unabhängige Behörde mehr, sondern dem Innenministerium angegliedert.

Nun gibt es nach drei Jahren Interregnum mit Stephan J. Kramer auch einen neuen Chef. Und das Erste, was den 1968 in Siegen geborenen Juristen und Ökonomen qualifiziert, ist der fehlende »Stallgeruch«: Die Behörde, der der Thüringer NSU-Ausschuss attestierte, die Aufklärung der Mordserie »bewusst hintertrieben« zu haben, kann nur ein Quereinsteiger reformieren. Jemand mit Sensibilität gegenüber der extremen Rechten - und einem Händchen für schwer zu steuernde Organisationen. Von beidem kann man bei Kramer, der zum Judentum konvertierte und lange als Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland arbeitete, wohl ausgehen.

Die Personalie ist ein starkes Signal, gerade weil Kramer ein streitbarer Kopf ist. Gerade mit Ramelow kollidierte er schon heftig, als dieser die inzwischen auf EU-Ebene vollzogene Kennzeichnung von Produkten aus den besetzten Gebieten legitim fand und Kramer ihm dafür Israelfeindlichkeit vorwarf. Schon beim Zentralrat hielt er sich nicht zurück und sprach sich im Gegensatz zu dessen damaligem Präsidenten etwa gegen ein NPD-Verbot aus. Versuchungen, Solidarität mit Israel antimuslimisch zu wenden, hat er widerstanden. Kramer gehörte zu den schärfsten Kritikern von Thilo Sarrazin und thematisierte wiederholt diesbezügliche Ressentiments.

Kramer, der als gut vernetzt und ehrgeizig gilt, scheint also gut gewappnet. Er wird das brauchen können auf seinem neuen Posten: Schon dröhnt ihm via »Junge Freiheit«, der Widerwillen der dortigen AfD entgegen: Man habe Zweifel an seiner »Neutralität«.

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