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Prominenter Anwalt in der Türkei getötet

50 000 Menschen bei Beisetzung von Tahir Elçi

  • Mahmut Bozarslan, Diyarbakir
  • Lesedauer: 2 Min.

In der Kurdenhochburg Diyarbakir im Südosten der Türkei ist ein prominenter prokurdischer Menschenrechtsanwalt erschossen worden. Augenzeugen zufolge fiel der Schuss auf den 49-jährigen Vorsitzenden der örtlichen Anwaltskammer, Tahir Elçi, am Samstag bei einer Schießerei mit weiteren Toten und Verletzten.

Den Zeugenaussagen zufolge wurden bei der Schießerei auch zwei Polizisten getötet und zehn weitere Menschen verletzt. Die türkischen Sicherheitskräfte seien während einer von Elçi abgegebenen Presseerklärung angegriffen worden, teilte der Gouverneur der Provinz Diyarbakir mit. Unter den Verletzten war nach Angaben aus Sicherheitskreisen auch ein Journalist.

Ob der bekannte Menschenrechtsanwalt und Verteidiger der kurdischen Minderheit gezielt getötet oder versehentlich getroffen wurde, ist offen. Ein Augenzeuge sagte der Nachrichtenagentur Dogan, ein bärtiger Mann habe das Feuer auf den Anwalt eröffnet. Die Nachrichtenagentur Anadolu machte die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) für den Angriff auf den Juristen verantwortlich.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan erklärte, er sei »traurig über den Tod von Elçi«. Der islamisch-konservative Staatschef, der seit Juli mit einem massiven Militäreinsatz gegen die kurdischen Rebellen vorgeht, sagte, der Kampf gegen den »Terrorismus« müsse bis zum Ende geführt werden.

Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu sagte, Elçi könne »ermordet« worden sein. Wenn das der Fall sei, werde alles aufgeklärt, und die Verantwortlichen würden festgenommen. Es könne aber auch sein, dass der Anwalt in einen Schusswechsel geraten sei, »nachdem die Terroristen die Soldaten angriffen«. Dagegen sprach die Demokratische Partei der Völker - links orientiert und drittstärkste im Parlament - von einem »geplanten Mord« und rief zu Protesten auf.

Im Stadtteil Sur von Diyarbakir, in dem sich die Schießerei abspielte, kommt es immer wieder zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen der Polizei und PKK-Anhängern. Die Behörden verhängten über Sur eine Ausgangssperre. Bei Schießereien wurden dort am Abend zwei Kurden getötet.

Am Sonntag wurde Elçi in Diyarbakir beigesetzt. Rund 50 000 Menschen nahmen Abschied von dem getöteten Anwalt. In Roben gekleidete Kollegen trugen den in die kurdische Flagge gehüllten Sarg, die Menschenmenge trug ein schwarzes Banner mit der Aufschrift »Wir werden dich nicht vergessen«. »Märtyrer sterben nicht, Tahir Elçi, ist unsterblich«, riefen die Menschen in kurdischer Sprache. Am Vorabend hatte die Polizei in Istanbul eine Kundgebung aus Protest gegen die Tötung Elçis gewaltsam aufgelöst. AFP

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