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Madagaskar – für Strom und Wasser

Wegen häufiger Ausfälle der Strom- und Wasserversorgung stürzt eine Protestbewegung Präsident Rajoelina

Ohne Parteien, aber mit Gewerkschaften: Demonstrationen der Gen Z in Madagaskars Hauptstadt Antananarivo
Ohne Parteien, aber mit Gewerkschaften: Demonstrationen der Gen Z in Madagaskars Hauptstadt Antananarivo

Im September begannen in Madagaskar wegen der häufigen Wasser- und Stromausfälle Massenproteste gegen die Regierung von Staatspräsident Andry Rajoelina. Dabei versammelten sich die Demonstrierenden oft direkt vor den Wohnhäusern führender Politiker.

Die Polizei reagierte mit Repression: Innerhalb weniger Tage wurden 22 Personen bei Protesten getötet. Das wiederum führte zu Rissen innerhalb der Streitkräfte, die sich nicht länger an der Unterdrückung der Proteste beteiligen wollten. Als sich die militärische Sondereinheit Capsat am 12. Oktober schützend vor die Demonstrierenden stellte, floh Präsident Rajoelina in Frankreichs nahgelegene Kolonie Réunion – offenbar in einer französischen Militärmaschine.

Die Generation Z begehrt auf

Auf drei Kontinenten haben in den vergangenen Monaten Angehörige der »Generation Z«, also Menschen im Alter zwischen 15 und 30 Jahren, rebelliert. In Nepal und Madagaskar wurden Regierungen gestürzt. In Marokko, Kenia, Peru und auf den Philippinen haben die Bewegungen die Gesellschaft ordentlich durchgerüttelt. Vielerorts tauchten Motive des japanischen Animes »One Piece« (unter anderem die Piratenflagge) auf den Kundgebungen auf, fast überall spielten soziale Medien eine Schlüsselrolle bei der Mobilisierung. Musikclips bei Tiktok waren wichtiger als politische Reden.
Die Protestbewegungen bezeichnen sich oft selbst als »apolitisch«, womit sie sich vor allem von den Parteien distanzieren wollen. Angeprangert werden fast überall ausufernde Korruption und schlechte Regierungspolitik. Doch dahinter verbirgt sich eine grundsätzlichere Kritik: Die Protestierenden empören sich über wachsende soziale Ungleichheit, staatliche Repression, Polizeigewalt, kaputtgesparte Krankenhäuser, teure Prestigeobjekte und Femizide.
Zwar verflüchtigen sich die Protestbewegungen in der Regel so schnell wieder, wie sie entstanden sind. Doch es bleibt bemerkenswert, dass weltweit Proteste mit ähnlichen Forderungen und gemeinsamen Symbolen entstehen.

Für den madagassischen Historiker Harilala Ranjatohery handelt es sich beim Sturz des Präsidenten deshalb auch nicht um einen klassischen Putsch. »Die Armee wollte die Macht zunächst überhaupt nicht«, so Ranjatohery im Interview mit der Zeitschrift "ROAPE" (Review of African Political Economy). Der Präsident sei geflohen, der Senatspräsident bereits vom Parlament abgesetzt und die daraufhin eingesetzte Übergangsregierung nicht in der Lage gewesen, die Situation zu kontrollieren.

»Die Gen-Z-Bewegung war das Ergebnis eines spontanen Aufstands, der sich schon lange anbahnte«, so Historiker Ranjatohery gegenüber »ROAPE«. Zwar behaupteten die Protestierenden von sich, »apolitisch« zu sein. Das aber habe vor allem damit zu tun, dass die Oppositionsparteien ein ähnlich schlechtes Image wie die Regierung besäßen. Anders hingegen die Gewerkschaften, die sich den Protesten schnell angeschlossen hätten.

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Begünstigt wurde die Ausbreitung der Proteste durch die staatliche Repression. Außerdem spielten, wie im 7000 Kilometer entfernten Nepal, auch auf Madagaskar Internetclips eine zentrale Rolle bei der Mobilisierung. Bilder, auf denen Präsidententochter Ilona Rajoelina mit teuren Markenartikeln prahlte, und Berichte über den an einer schweizerischen Eliteuniversität studierenden Präsidentensohn Arena entfachten die Wut der Jugendlichen.

Ob sich unter dem neuen Staatschef, Oberst Michael Randrianirina, die Lage verbessern wird, steht allerdings auf einem anderen Blatt.

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