Moskaus »besondere Maßnahmen«

Präsident Putin erlässt nach dem Flugzeugabschuss Sanktionen gegen die Türkei

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit »Gewährleistung der nationalen Sicherheit« begründete Russlands Präsident Wladimir Putin seinen am Samstag unterzeichneten Erlass zu »besonderen Wirtschaftsmaßnahmen gegen die Türkei«.

Diese »besonderen Maßnahmen« sind faktisch Sanktionen und eine Retourkutsche für den Abschuss des russischen Bombers am Dienstag im syrisch-türkischen Grenzgebiet. Einer der Piloten kam dabei ums Leben. Ankara sprach von Selbstverteidigung: Das russische Flugzeug habe türkischen Luftraum verletzt. Moskau bestreitet das. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte den Zwischenfall als Stoß in den Rücken im Kampf Russlands gegen den Terrorismus gerügt und mit Konsequenzen gedroht.

Russischen Reiseveranstaltern ist es inzwischen untersagt, Pauschalreisen in die Türkei zu verkaufen. Auch solche, die über Anbieter in Drittstaaten - Belorussland oder Kasachstan - abgewickelt werden. Charterflüge in die Türkei untersagt der Putin-Erlass russischen Airlines ebenfalls. Zuvor hatte Außenminister Sergej Lawrow angekündigt, dass Russland, beginnend mit dem nächsten Jahr, den visumfreien Reiseverkehr mit der Türkei aufhebt. Das türkische Außenministerium empfahl seinen Bürgern daraufhin, von Russland-Reisen ohne dringenden Grund Abstand zu nehmen.

Außerdem sieht der Moskauer Ukas Tätigkeitsbeschränkungen für türkische Organisationen in Russland und ein Beschäftigungsverbot für türkische Arbeitskräfte vor. Das dürfte vor allem die Baubranche empfindlich treffen. Prestigeprojekte - darunter Wettkampfstätten und Infrastruktur für die Olympischen Winterspiele 2014 sowie für die Fußball-Weltmeisterschaft 2018 - wurden und werden gern in Kooperation mit türkischen Unternehmen hochgezogen. Sie bauen kostengünstig, liefern sehr gute Qualität und termingerecht. Oft stammen auch die Projekte von türkischen Architekten.

Der Import türkischer Lebensmittel und Agrarerzeugnisse nach Russland soll ebenfalls drastisch reduziert werden. Regierungschef Dmitri Medwedjew hatte das bereits am Donnerstag angekündigt und seinen Beamten ganze zwei Tage für die Erstellung einer konkreten Liste gegeben. Details sollen demnächst bekannt gegeben werden. Wie ein Beamter der Moskauer Nachrichtenagentur Interfax sagte, werden unter das Embargo auch Textilien fallen.

Unabhängige Beobachter warnen bereits, mit den Maßnahmen würde nicht nur die türkische Wirtschaft bestraft, Leidtragende seien vor allem die eigenen Bürger. In der Tat: Die Türkei ist derzeit das mit Abstand beliebteste Urlaubsland der Russen. Sie schätzen sowohl das Preis-Leistungs-Verhältnis als auch den »langen Sommer«. Selbst jetzt in der Nachsaison machen nach Angaben der staatlichen Tourismusbehörde noch rund 11 000 Russen an der türkischen Riviera Urlaub. Auch war der Türkei eine wichtige Rolle bei der Ablösung von Lebensmittelimporten aus EU-Ländern zugedacht, deren Stopp Russland im Sommer 2014 als Antwort auf die westlichen Sanktionen wegen der Ukraine-Krise beschlossen hatte.

Die geplanten Einfuhrverbote treffen indes nicht nur die Verbraucher, sondern auch die russischen Händler. Bei Gemüse und Obst müssen sie nun auf die teureren Angebote aus dem Südkaukasus und Zentralasien ausweichen; Kleidung der gleichen unteren Preisklasse liefert allein China, allerdings in schlechterer Qualität, weshalb die Nachfrage sich in Grenzen hält. Als sicher gilt auch der Stopp von gemeinsamen Energieprojekten. Betroffen ist vor allem Turkstream. Dabei handelt es sich um eine Gaspipeline, die über den Boden des Schwarzen Meeres verlegt werden und Südosteuropa unter Umgehung der Ukraine ab 2018 stabil mit russischem Gas versorgen sollte.

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