Polka! Prost!

10 Jahre Eastblok Music

  • Jenny Mansch
  • Lesedauer: 2 Min.

Sich als U-Bahn-Musiker in Berlin durchzuschlagen, ist kein leichtes Geschäft. Der gewöhnliche Fahrgast verschanzt sich hinterm Smartphone, weil in dichter Folge Obdachlose oder vereinsamte Aids-Kranke am Gewissen rütteln. Und dann auch noch die Solokünstler, die sämtliche real existierenden Musikstile laut zum Vortrag bringen, ob man will oder nicht.

Doch wie immer in der Musik - das Timing und der Look sind entscheidend. Also bestiegen vor vier Jahren zunächst zwei von fünf hübschen Jungs aus Friedenau, Neukölln und Kreuzberg die U1, und zwar erst nächtens. Mit zwei Gitarren begleiteten sie ihren fröhlichen Folkore-Partymix, das europäische Textkauderwelsch verstand kein Mensch. Dafür aber ihre handgemachte Wegebier-Musik. Von lostanzenden U-Bahn-Nutzern ermutigt, komplettierte sich die Band Il Civetto bald um Saxophon und Klarinette, Ukulele und Perkussion. Enthusiasmierte Fahrgäste buchten sie für Privatpartys, Konzerte in einschlägigen Clubs wie dem Kater Holzig und in ganz Europa folgten. Inzwischen singen ihre Fans das lustige Quatsch-Esperanto der fünf Stimmungskanonen Wort für Wort mit.

Rund 250 Konzerte später hat die Band zum Berliner Label Eastblok gefunden. Nun gibt es ein Debütalbum mit 14 Songs zwischen Ost-Chanson und Polkaseligkeit. Per Crowdfunding entstand das Video zu ihrem Hit »Baba Che«: Stilecht gedreht in der Blutwurstmanufaktur, dem besten Metzger Neuköllns, ist es eine verspielte Liebesgeschichte à la girl meets attraktiven osteuropäischen Wirtschaftsflüchtling, und alle sind happy. Bis auf den Schlachter.

Il Civetto feiern die Veröffentlichung ihres Albums am kommenden Wochenende im Ritter Butzke mit einem Konzert, das sich in die allgemeinen Feierlichkeiten des Labels Eastblok einreiht.

Bekannt vor allem durch ihre erfolgreiche Balkan-Beats-Partyreihe im Berliner Lido, präsentieren die Macher Ergebnisse ihres zehnjährigen Bemühens um Kulturaustausch und den Rückfluss aktueller osteuropäischer Popmusik in den Westen auch auf einem neuen Doppel-Sampler, der zugleich Rückblick und Ausblick auf die Labelarbeit ist: Vom russischen Trinklied über Songs zur Orangenen Revolution in der Ukraine, russischen Elektropop, serbische DJs, den Künstler Shantel bis zur Band Little Cow aus Ungarn - die Trüffelsuche der beiden Eastblok-Musikschleuser zeigt auch, wie ein kleines Indielabel heute überleben kann. Wenn es sich leidenschaftlich einem Thema widmet, ein funktionierendes Netzwerk aus Freunden zustande bringt und ordentlich die Puppen tanzen lässt.

Il Civetto: »Il Civetto« (Eastblok)

V.A.: »10 Years Eastblok Music« (Eastblok)

Konzert: 5.12., »Ritter Butzke«, Ritterstraße 26, Berlin, 23.55 Uhr

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