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Die Krux der Wohnfläche

BGH-Urteil

  • Lesedauer: 3 Min.
Mieten dürfen nicht einfach sprunghaft erhöht werden - dies gilt selbst dann, wenn die Wohnung sehr viel größer ist als im Vertrag beschrieben.

Zwar ist nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 18. November 2015 (Az. VIII ZR 266/14) bei Mieterhöhungen die tatsächliche Größe einer Wohnung entscheidend. Doch weicht diese von der im Mietvertrag angegebenen Fläche ab, darf die Miete auf einmal höchstens um bis zu 20 Prozent steigen.

Dem Urteil lag ein Fall aus Berlin zugrunde. Eine Vermieterin hatte die Kaltmiete von rund 630 Euro um 300 Euro erhöhen wollen. Sie begründete dies unter anderem damit, dass die Fünf-Zimmer-Wohnung nahe dem Savignyplatz wesentlich größer ist als im Mietvertrag angegeben. Im Mietvertrag stand irrtümlich eine Wohnfläche von rund 157 Quadratmetern. Tatsächlich betrug die Wohnfläche aber 210,43 Quadratmeter. Der Mieter wollte nur eine Erhöhung um rund 95 Euro zahlen. Dagegen klagte die Vermieterin erfolglos.

Nach Ansicht des Landgerichts Berlin kam eine weitere Mieterhöhung nicht in Frage, weil ansonsten die gesetzliche Kappungsgrenze überschritten würde. Nach Paragraf 558 BGB können Mieten bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete steigen, wenn die Miete seit 15 Monaten unverändert ist. Die Miete darf innerhalb von drei Jahren aber nicht um mehr als 20 Prozent erhöht werden, in Gebieten mit knappem Wohnraum - wie in Berlin - nur um 15 Prozent. Die 15-Prozent-Grenze gilt mittlerweile für 270 Kommunen in elf Bundesländern. Die klagende Vermieterin muss sich mit einer Mieterhöhung von zunächst knapp 95 Euro begnügen.

Der BGH bestätigte die Notwendigkeit, dass die Kappungsgrenze eingehalten werden muss. Der VIII. Zivilsenat entschied aber zugleich, dass für die Mieterhöhung die tatsächliche Wohnfläche maßgeblich ist, egal wie hoch die Abweichung im Vertrag ist. Paragraf 558 solle es dem Vermieter ermöglichen, eine »angemessene, am örtlichen Markt orientierte Miete zu erzielen«.

Von seiner früheren Rechtsprechung, wonach der Vermieter an der im Mietvertrag zu niedrig angegebenen Wohnfläche festhalten muss, wenn die Abweichung nicht mehr als zehn Prozent beträgt, wich der BGH somit ab.

Dies gilt laut Urteil auch für den umgekehrten Fall: Wurde die Wohnfläche im Mietvertrag zu groß angegeben, kann der Vermieter die Miete ebenfalls nur auf der Grundlage der tatsächlichen, also niedrigeren Wohnfläche erhöhen.

Der Anwältin des Mieters zufolge müsse ein Vermieter das Risiko für die Angaben zur Wohnfläche tragen: »Er hat es in der Hand; er kann das ja ausmessen.« Der Anwalt der Vermieterin hatte hingegen darauf verwiesen, es könne nicht sein, dass diese »für alle Ewigkeit« an den Irrtum gebunden sei - und nur in »Trippelschritten« die Miete erhöhen dürfe.

Der Eigentümerverband Haus & Grund verwies darauf, dass die tatsächliche Wohnfläche in der Praxis schwer zu ermitteln sei. Ein Test habe ergeben, dass es bei der Vermessung einer Wohnung und eines Hauses durch drei verschiedene Experten Abweichungen von 16 Prozent gab. Deshalb sei eine gewisse Toleranz nötig.

Der Bundestag solle daher bei den anstehenden Mietrechtsänderungen einen hinreichend großen Toleranzbereich in das Gesetz schreiben. Solch eine Regelung sei auch wegen der hohen Kosten einer Vermessung im Interesses von Mietern und Vermietern. Eine Wohnungsvermessung könne leicht einen hohen dreistelligen Betrag kosten.

Nach Schätzungen des Deutschen Mieterbundes (DMB) stimmt bei zwei von drei Wohnungen die im Mietvertrag genannte Fläche/Quadratmeterzahl nicht mit der Realität überein. dpa/AFP/nd

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