Leben im ewigen Funkloch

Im Eifeldorf Eisenschmitt geht kein Handy - junge Leute siedeln sich lieber auswärts an

  • Birgit Reichert, Eisenschmitt
  • Lesedauer: 3 Min.
Während vielerorts über schnelles Internet und Breitbandausbau geredet wird, haben die Menschen im Eifelort Eisenschmitt nicht mal Handy-Empfang. Der Bürgermeister fürchtet um die Zukunft des Dorfes.

Es ist ganz egal, wo man in Eisenschmitt auf sein Handy schaut. Es zeigt immer nur eins an: »Kein Netz«. Auch wenn man es am lang ausgestreckten Arm in die Höhe hält - es ändert nichts. »Der ganze Ort liegt im totalen Funkloch«, sagt Ortsbürgermeister Georg Fritzsche. Das sei ein Riesenproblem: »Ich bange um die Zukunft des Dorfes.« Etliche Menschen seien inzwischen aus dem rheinland-pfälzischen Eifelort mit noch 320 Einwohnern weggezogen - gut 20 Häuser stünden leer. Junge Leute siedelten sich lieber auswärts an. »Das Handy gehört zum alltäglichen Leben dazu, darauf will doch keiner mehr verzichten«, sagt Fritzsche (62).

Vor allem: Viele Berufstätige müssten heute im Job mobil erreichbar sein. In Eisenschmitt sind sie es nicht. Was das bedeutet, weiß Daniela Weber. Sie führt dort mit ihrem Mann ein Unternehmen für Elektro, Heizung und Sanitär. »Wenn ich mich vom Haustelefon entferne, können mich die Kunden nicht mehr erreichen«, sagt die 46-Jährige. Auf den Anrufbeantworter spreche nicht jeder gerne, vor allem nicht, wenn er einen Notfall habe: »Wenn die Heizung nicht geht oder der Strom ausfällt, dann will der Kunde sofort jemanden sprechen.«

Dass der Ort im Tal der Salm vom Mobilfunknetz abgeschnitten ist, sei »geschäftsschädigend« und »nicht mehr zeitgemäß«, sagt Weber. Das meint auch Michael Molitor, Chef des Hotels Molitors Mühle. Vor kurzem sei ein Kunde abgereist, ohne seinen Koffer überhaupt auszupacken, als er gemerkt habe, dass er keinen Handyempfang habe. Etliche Buchungen seien ihm schon entgangen, berichtet der 56-Jährige. Auch von Firmen, die Tagungen machen wollten.

Kein Wunder, dass auch ein Arzt, der nach Eisenschmitt ziehen wollte, einen Rückzieher gemacht hat. »Ohne Handy kann er hier nicht arbeiten«, sagt Fritzsche. Und kein Wunder, dass US-Amerikaner vom nahen Luftwaffenstützpunkt Spangdahlem nicht mehr ins Dorf ziehen - sie haben Bereitschaftsdienste, während derer man sie erreichen können muss.

Der Bürgermeister kämpft seit Jahren dafür, dass Eisenschmitt ans Mobilfunknetz kommt - und die Bewohner nicht jedes Mal zwei Kilometer rausfahren müssen, wenn sie eine SMS empfangen wollen. Ohne Erfolg. »Wir haben alles versucht.« Viele Gespräche seien schon geführt worden, mit der Verbandsgemeinde, dem Kreis, Vertretern des Landes. Und den drei Mobilfunkbetreiber, die in Deutschland infrage kommen. »Alle haben gesagt, dass es unrentabel für sie sei.«

Wie etwa die Telekom. »Wir kennen die Situation vor Ort«, teilt ein Sprecher in Bonn mit. Keine Mobilfunkstation der Telekom sei nah genug am Ort. Es gebe auch keine Planungen, weitere Kapazitäten oder neue Standorte aufzubauen. »Die Anzahl erreichbarer Kunden ist zu gering, der technische und wirtschaftliche Aufwand sehr groß. Ein Ausbau ist also unwirtschaftlich.« Das gleiche gelte für Müllenborn in der Vulkan- eifel. Diese Orte seien jedoch die Ausnahme, die Telekom habe deutschlandweit eine Abdeckung von 99,8 Prozent.

Dem Land Rheinland-Pfalz sind die Hände gebunden: »Wir haben leider keinen Einfluss auf die Ausbaupläne der Mobilfunkanbieter«, teilt das Mainzer Innenministerium mit. Jeder Netzbetreiber habe eigene Planungen und Prioritäten. Das rheinland-pfälzische Breitband-Kompetenzzentrum habe die Anbieter aber auf die schlechte Versorgung hingewiesen.

Mies versorgt ist Eisenschmitt auch in Sachen Internet. Derzeit kämpfen die meisten im Dorf noch mit einer Übertragungsrate von einem Megabit pro Sekunde (MBit/s). »Wenn mir jemand Bilder schickt, ist der komplette Rechner lahmgelegt«, sagt Geschäftsfrau Weber.

Beim Breitbandausbau zeichnet sich laut Ministerium allerdings eine Lösung ab. Eisenschmitt ist gerade in ein Förderprogramm des Landes für den Ausbau mit schnellem Internet gekommen. »Die Ausschreibung läuft«, sagt Fritzsche. Nach Angaben des Landes wird dann ein Breitbandzugang geschaffen, der mindestens sechs MBit/s für 95 Prozent der Haushalte möglich macht. Und vielleicht, so die vage Hoffnung in Eisenschmitt, ist ja in diesem Zusammenhang auch das Handy-Problem zu lösen. dpa/nd

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