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Fabius zieht den Joker

Aussichtsreicher Vertragsentwurf bei UN-Klimagipfel

  • Susanne Götze und 
Benjamin von Brackel, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Eine Allianz von über 100 Staaten könnte ein starkes Klimaabkommen durchboxen. Doch nun kommt es auf Indien und China an.

Der Kampf gegen den Klimawandel bekommt einen unerwarteten Schub. Auf dem UN-Gipfel in Paris offenbarte sich ein über ein halbes Jahr geheim gehaltenes Bündnis aus über 100 Staaten, die für ein rechtlich verbindliches Weltklimaabkommen eintreten. Dieser sogenannten High-Ambition-Koalition gehören etwa die USA, die EU sowie 79 afrikanische, karibische und pazifische Staaten an. Ihre Ziele: ein klares Langfristziel für den Klimaschutz, Überprüfungen der nationalen Klimapläne alle fünf Jahre und ein einheitliches System, um die Fortschritte bei der CO2-Reduktion zu messen und zu berichten.

Nach einer langen Nacht lag am Mittwoch ein gekürzter Vertragsentwurf vor. Die Diplomatie von Gipfel-Präsident Laurent Fabius zahlt sich aus. Der Streit über das Prozedere, der frühere Klimagipfel verzögerte oder scheitern ließ, blieb aus. »Das ist eine Situation, die es noch nicht gegeben hat«, sagte Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD). An einigen Stellen gibt es Bewegung: Mehr Länder setzen sich für eine Begrenzung der Erderwärmung nicht nur auf 2, sondern auf 1,5 Grad ein - eine Forderung der Inselstaaten. Hendricks glaubt, dass das eine »starke Erwähnung« im Vertragstext finden wird.

Auch setzt sich die Forderung der High Ambition Group durch, dass nationale Klimapläne alle fünf Jahre verschärft werden sollen - selbst Indien und China, die nicht zu der Gruppe gehören, bewegen sich. Christoph Bals von der Umweltorganisation Germanwatch sieht einen Kompromiss darin, nicht nur die Klimaschutzpläne zu prüfen, sondern zugleich Finanzhilfen für Entwicklungsländer anzuheben. Damit versucht auch die neue Gruppe Partner zu gewinnen: Mit Finanzhilfen sollen Entwicklungsländer für ein Abkommen gewonnen werden. US-Außenminister John Kerry kündigte an, Ausgaben für die Anpassung an den Klimawandel auf 800 Millionen Dollar ab 2020 zu verdoppeln. »Zyniker würden sagen, dass die kleinen Länder einfach eingekauft werden«, sagt Raman Mehta von der indischen Vasudha Foundation.

Drei große Streitfragen bleiben ungelöst: Neben der Frage der Finanzierung und der Verbindlichkeit ist es vor allem die nach der Unterscheidung von Industrie- und Entwicklungsländern, also wer künftig als Geber- und wer als Nehmerland eingestuft wird. Indien beharrt darauf, zunächst die Armut im Land zu bekämpfen - die Industrieländer sollten im Klimaschutz vorangehen. Hendricks zufolge muss man den unterschiedlichen Entwicklungsstand berücksichtigen. Ein weiterer Knackpunkt: Wie sollen arme Länder einen Ausgleich für Verluste und Schäden in Folge des Klimawandels erhalten? »›Loss and Damage‹ wird das allerletzte sein, was entschieden wird«, so Julie Anne Richards vom Climate Justice Programme. Die Verhandlungen darüber seien bisher hinter verschlossenen Türen geführt worden.

Bis Donnerstag sollen die Verhandler Fabius zufolge über den Text beraten. Entscheidend dürfte die Haltung der Entwicklungsländer, also der Gruppe der 77 und China sein, der auch Indien angehört. Das ist eines der Länder, die von der neuen Koalition bearbeitet wurden. Wie eine »Moskito-Flotte« sei man ausgeschwärmt, um Länder mit guten bilateralen Beziehungen »auf eine freundliche Weise zu beißen«, erzählte Tony de Brum, Außenminister der Marshall-Inseln. Mit dem Land, das am Ende den Unterschied ausmachen könnte, habe aber keiner gesprochen: China.

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