Kein Weißrussland in Warschau

Zehntausende Polen demonstrieren für Demokratie und gegen die rechtskonservative Regierung

  • Lesedauer: 3 Min.
Am Wochenende haben in Polen Zehntausende Bürger ihrem Ärger über das Gebaren der regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit Luft gemacht.

In mehreren polnischen Großstädten wie Warschau, Poznan und Gdansk haben am Samstag erneut Tausende Bürger an Kundgebungen gegen die rechtskonservative Regierung teilgenommen. Wegen einer Bombendrohung musste die zentrale Kundgebung in Warschau eine Stunde vor dem geplanten Ende abgebrochen werden. Es habe einen anonymen Anruf gegeben, sagte ein Polizeisprecher am Samstag der Agentur PAP.

»Wir werden die Demokratie verteidigen« und »Wir werden die Verfassung verteidigen« riefen die Demonstranten in Warschau. Das Komitee zur Verteidigung der Demokratie (KOD) setzte damit seine Proteste gegen die Regierung der Partei für Recht und Gerechtigkeit (PiS) fort.

Nach Angaben der Veranstalter kamen in Warschau 20000 und im ganzen Land 100 000 Demonstranten zusammen. Die Polizei schätzte die Anzahl der Demonstranten in Warschau auf 8000 bis 10 000 und in der Ostseestadt Danzig (Gdansk) auf 7000 bis 10 000. In Wroclaw füllten die Demonstranten den Marktplatz. Kleinere Kundgebungen fanden auch in ausländischen Metropolen wie Berlin, London und Brüssel statt.

Am Samstag zuvor waren in Warschau rund 50 000 Demonstranten auf die Straße gegangen.

»Wir werden siegen!«, rief der Demonstrant Henryk Wujec in Warschau. Die Gewerkschaft Solidarnosc habe sich in den 80er Jahren durchgesetzt, obwohl damals das Kriegsrecht verhängt worden sei. »Wir werden wieder siegen!«, fügte Wujec hinzu. Die Demonstranten trugen Spruchbänder wie »Nein zur Diktatur!« und »Wir wollen kein Weißrussland in Warschau!«

»Wir haben unsere Freiheiten, und wir werden kämpfen, um sie zu verteidigen«, sagte KOD-Gründer Mateusz Kijowski. Die spontan gegründete zivilgesellschaftliche Gruppe wird von den meisten Oppositionsparteien unterstützt. Die Mehrheit der Mandate im Parlament sei nicht gleichbedeutend mit der »Mehrheit in der Gesellschaft«, sagte Karol Modzelewski, eine der Leitfiguren der antikommunistischen Opposition aus den 60er und 70er Jahren. Er erinnerte daran, dass die Regierungspartei PiS bei der Parlamentswahl im Oktober auf 38 Prozent der Stimmen kam - bei einer Wahlbeteiligung von 51,6 Prozent.

Mehr als einen Monat nach Antritt der neuen Regierung unter Ministerpräsidentin Beata Szydlo steckt Polen in einer politischen Krise. Besonders die Versuche der Regierungsmehrheit, das Verfassungsgericht durch die Ernennung von fünf neuen Richtern unter Kontrolle zu bringen, sorgt für heftige Kritik. Die Opposition wirft der PiS des ehemaligen Regierungschefs Jaroslaw Kaczynski vor, die Schaltstellen der Macht in Polen mit ihr genehmen Vertretern zu besetzen, um ungestört ihre Regierungsvorhaben durchsetzen zu können. Die Warschauer Demonstration vor einer Woche wendete sich gegen die »Schleifung der Demokratie« durch die PiS-Regierung.

Die Rechtspartei PiS verfügt seit den Wahlen im Oktober über die absolute Mehrheit in beiden Kammern. Der frühere Präsident und Friedensnobelpreisträger Lech Walesa hatte jüngst angesichts der Spaltung des Landes vor einem »Bürgerkrieg« gewarnt. Agenturen/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal