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Im Zeichen der Zuwanderung

Das Fest der kulturellen Vielfalt »CrossKultur« in Schöneberg

  • Katrin Schielke
  • Lesedauer: 4 Min.

»Kann man Brücken bauen durch Kultur?«, fragt Bezirksstadträtin Jutta Kaddatz das Publikum des Kulturzentrums »Die Weiße Rose« in Schöneberg. »Ja«, ruft eine Frau ganz laut aus dem gut gefüllten Saal. Wie das geht mit dem Brücken bauen - wir werden es beim Abschlussfest von CrossKultur - einer seit sieben Jahren bestehenden Veranstaltungsreihe des Bezirksamtes Tempelhof-Schöneberg - neu erleben. 20 Veranstaltungen hat es in den letzten vier Wochen - zwischen dem Tag der Toleranz und dem 18. Dezember, Tag der Migration - an sehr unterschiedlichen Orten gegeben. Darunter auch zum ersten Mal in den Unterkünften für Geflüchtete am Kirchhainer Damm und in der Colditzstraße.

CrossKultur möchte Impulsgeber und Plattform für Kulturschaffende sein, und wie die Initiatorinnen des Festivals, Gabriele Gün Tank, Integrationsbeauftragte des Bezirks, und Petra Zwaka, Fachbereichsleiterin Kunst, Kultur, Museen, es zusammenfassen: CrossKultur will die gesellschaftliche und kulturelle Teilhabe von Menschen stärken und Perspektivenwechsel ermöglichen. Tank und Zwaka holen die PartnerInnen ihres Netzwerks auf die Bühne, bedanken sich, jede Initiative kann sich vorstellen: das Jugendmuseum und seine Reihe zur sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt »All included«, das Musikschul-Ensemble »Wüstenwind«, zu dem jetzt auch syrische Musiker gehören, die Integrationslotsen des Bezirks, die LeiterInnen der beiden Flüchtlingsunterkünfte, der Dokumentarfilmer Aziz Said, der in der Carl-Zeiss-Oberschule seinen Film über den Völkermord an den Assyrern im Osmanischen Reich 1915 präsentiert hat, die Kibele-Frauentheatergruppe und ihr autobiografisches Projekt mit türkischen Frauen, die Volkshochschule und ihr interkulturelles Erzähltheater und das Netzwerk Inclusion Leaders, das gerade ein fünftägiges Führungskräftetraining organisiert hat. Eine der Teilnehmerinnen, eine Frau mit Kopftuch, präsentiert spontan eine beeindruckende Poetry-Slam-Performance mit dem immer wiederkehrenden Satz »Es reicht mir, mich ständig erklären zu müssen.«

Diese Ausgabe von CrossKultur war - im Zeichen der Zuwanderung von vielen Tausenden Flüchtlingen nach Berlin - etwas Besonderes. Wie Kaddatz es in ihrer Rede schon sagte: Jetzt gehe es noch verstärkt um die Unterbringung von Geflüchteten, danach aber müssten wir uns die Frage stellen, wie wir diese Menschen aktiv an unserer Gesellschaft teilhaben lassen können.

Dass nicht immer nur »wir« Antworten finden müssen, sondern Betroffene sich selbst schon längst mit dieser Frage beschäftigen, zeigt in eindringlicher Weise der Refugee Club Impulse, ein selbstverwaltetes Berliner Theaterprojekt von Geflüchteten, das 2013 in einer Erstaufnahmeeinrichtung in Berlin-Spandau gegründet worden war und für die Rechte von Geflüchteten kämpft.

Die Gruppe präsentiert Szenen aus dem Theaterstück »letters home«, in dem die SchauspielerInnen - auf Deutsch, Englisch und Arabisch - ihre eigenen Geschichten erzählen und ihre Perspektiven in eine Debatte einbringen, die oft hauptsächlich »über« Geflüchtete bzw. ohne sie geführt wird.

»We are the people invading your country, but do you know why we are invading your country?« fragen sie das Publikum zu Beginn. Es geht in »letters home« um die Geschichte der Flucht, um Unterdrückung, Gewalt und Verrat, aber auch um Hoffnung und eine immer wieder aufflackernde Lebensfreude, unterstrichen von Musik und Tanz. Ein Theater, das wirkt, gerade dadurch, dass es eine gewisse Vieldeutigkeit nicht immer auflöst. Das Motto der Gruppe »Nobody gives us a voice - we take it!« wird an diesem Abend deutlich.

Den zweiten Teil des Abends gestaltet seit sieben Jahren schon DJ Ipek, die in Berlin und İstanbul lebende DJane, Herausgeberin, Produzentin und Pionierin der Orient & Asian Musik. Sie hat ADIRJAM - Cosmopolitan Kurdesque eingeladen, die progressiv mediterröstliche Klänge und Rhythmen mit Harmonien aus Klassik und Rock vermischen. In ihren Liedtexten geht es meist um schwule Liebe, (Ver-)Lust, Leid und Leidenschaften sowie um Themen wie Krieg, Homophobie und Rassismus. The SWAG - finest Hip-Hop, die einen einzigartigen musikalischen Style zwischen Hip-Hop, Soul, Jazz und zeitgenössischer Clubmusik hinbekommen, und DJ Ipek beschließen den Abend. Das Publikum feiert bis zum Ende begeistert mit. Und erinnert sich vielleicht an den Anfang des Abends: Da hatte Angelika Schöttler, Bezirksbürgermeisterin, Voltaire zitiert: »Anerkennung ist ein wunderbares Ding. Sie bewirkt, dass das, was an anderen herausragend ist, auch zu uns gehört.« CrossKultur macht diese Vielfältigkeit möglich.

www.cross-kultur.de/

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