Frommer Wunsch
Ingolf Bossenz über die Kölner Horrornacht und ihre Folgen
Tage brauchte es, bis sich aus dem Nebel der Mutmaßungen die Konturen des Ungeheuerlichen der Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof abzeichneten. Dass es sich bei den schweren Übergriffen von Männergruppen gegen Dutzende Frauen um »eine völlig neue Qualität« (so NRW-Polizeigewerkschaftschef Arnold Plickert) derartigen Sexualterrors handelt, ist inzwischen so offensichtlich wie manche Äußerung aus der Politik seltsam.
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt fordert, bei der Verfolgung der Straftaten dürfe es keinerlei Rolle spielen, ob die Verdächtigen Migrationshintergrund haben. »Da darf nichts relativiert werden.« Will das denn jemand? Die Kölner Polizei warnt immerhin bereits eindringlich davor, einen Zusammenhang zwischen Flüchtlingen und den Übergriffen herzustellen.
Eine Warnung, die so hilflos wirkt wie die Polizei selbst in der Horrornacht. Denn der Verdacht, dass die Täter wohl vor allem aus Nordafrika und Nahost stammen - auch wenn sie nicht gerade erst eingereist sind -, dürfte bei vielen Menschen Besorgnis auslösen.
Indes: Wer »besorgt« ist, besorgt bekanntlich das Geschäft der Ausländerhasser. »Rassisten«, »Nazis«, Pegida, AfD, CSU ... Die Liste ist lang, Differenzieren ist Verharmlosung. Genau das aber, das feine und saubere Differenzieren, soll ein Kriterium der Kölner Ermittlungen werden.
Das wäre ein Ansatz zum Aufbrechen der infantilen Ideologie von Weiß und Schwarz, Hell und Dunkel, Gut und Böse. Man kann es nur wünschen. Es wird ein Wunsch bleiben. Ein frommer.
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