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Wie Pegida und AfD Köln missbrauchen

Rassistische Bewegung will am Samstag in der Rheinmetrople aufmarschieren / Zusammenarbeit mit rechtsradikalen Parteien von »Pro NRW« bis NPD / AfD vermischt Problem des sexuellen Missbrauchs mit der Flüchtlingsfrage

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 5 Min.

Rechtspopulistische und rechtsradikale Gruppen versuchen aus den Ereignissen der Silvesternacht in Köln zunehmend Kapital zu schlagen. Nachdem bereits am Mittwoch die rassistische Kleinstpartei »Pro NRW« vor dem Hauptbahnhof der Rheinmetropole eine Kundgebung abhielt, hat die »Pegida«-Bewegung für den kommenden Samstag an gleicher Stelle eine Demonstration angemeldet. Beide Gruppierungen arbeiten für die geplante Veranstaltung, zu welcher die Anmelder 1000 Teilnehmer erwarten, eng zusammen. Auch der nordrhein-westfälische-Landesverband der neonazistischen NPD erklärte inzwischen, für die Veranstaltung mobilisieren zu wollen, und sagte deshalb angeblich extra sein Neujahrstreffen ab. Inhaltliche Differenzen müssten für die gemeinsame Sache überwunden werden. Wie der »Kölner Stadt-Anzeiger« berichtet, befürchtet die Polizei ein ähnliches Szenario wie während der »Hogesa«-Proteste im Oktober 2014, bei denen es zu massiven Gewaltausbrüchen der Rechten kam.

Das Aktionsbündnis »Köln gegen Rechts« hat für Samstag unter dem Motto »Pegida NRW stoppen! Nein zu rassistischer Hetze! Nein zu sexueller Gewalt!« zu einer Gegendemonstration aufgerufen. Zudem ist auf dem Bahnhofsvorplatz ein Flashmob geplant. Frauenrechtlerinnen wollen mit einem möglichst lautstarken Protest auf sexuelle Gewalt gegen Frauen aufmerksam machen. »Plakate und Krachmachzeug mitbringen«, heißt es in einem Aufruf.

Obwohl eine Woche nach den Übergriffen mehr Fragen als Antworten über den Ablauf und die mutmaßlichen Täter im Raum stehen, brauchten rechte Gruppierungen nicht lange, um ihr eigenes abschließendes Urteil zu den Ereignissen zu fällen. »Ist Ihnen nach der Welle an Straftaten und sexuellen Übergriffen Deutschland nun ‘bunt und weltoffen’ genug, Frau Merkel?«, verbreitete die rechtspopulistische AfD über ihre Facebookseite bereits am Dienstag ihre klare Haltung darüber, wer angeblich für die Übergriffe verantwortlich sei.

Am Donnerstag legte die Partei nun noch einmal verbal nach: »Politik erteilt nordafrikanischen Banden in deutschen Großstädten einen Freibrief«, behauptete der Co-Vorsitzende Jörg Meuthen und verstieg sich damit zu der Behauptung, der Rechtsstaat würde bei der Kriminalität aus »politischer Korrektheit« angeblich wegschauen.

Noch einen eskalierenden Schritt weiter ging der rechtspopulistische Parteinachwuchs in Thüringen. Der dortige Landesverband der »Jungen Alternative« verbreitete am Mittwoch via Facebook ein Foto, auf dem eine gezogene Schusswaffe zu sehen ist. Dazu der mehrdeutige Kommentar: »Wenn die Politik nicht handelt, halten die Menschen vielleicht in Zukunft wirklich eine ‘Armlänge Abstand’, Frau Reker.« Inhaltlich bezieht sich die Aussage auf den kontrovers diskutierten Vorschlag von Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos), Frauen sollten sich aus Gründen des Selbstschutzes auf Großveranstaltungen mindestens eine Armlänge von Fremden fernhalten.

Die Junge Alternative Thüringen drehte ihre vermeintliche Kritik an dem Vorschlag nun so, indem sie andeutet, die Öffentlichkeit könnte sich möglicherweise mit Waffengewalt wehren. Verknüpft ist auch hier die Botschaft mit der Schlussfolgerung, nur konsequentes Abschieben und Abschottung könnten solche Übergriffe wie in Köln verhindern. Die Rechte betreibt gezielt eine zunehmende Vermischung der Flüchtlingsfrage mit dem Schutz vor Frauen vor sexueller Gewalt.

Neu ist diese perfide Vermengung der Themen jedoch nicht. Thüringens Landeschef Björn Höcke ging mit dieser auch von rechtsradikalen Parteien wie der NPD bekannten Strategie auf einer Demonstration im Herbst in Erfurt an die Öffentlichkeit. »Die Angsträume werden größer in unserem Land, gerade für blonde Frauen werden sie leider immer größer. Und das im eigenen Land, liebe Freunde! Das ist unerträglich!«, so Höcke in seiner Rede. Der Rechtsaußen unter den Rechtspopulisten wird sich durch Köln in seiner Haltung nun bestätigt fühlen.

Höcke-Intimus André Poggenburg, seines Zeichens Mitglied im AfD-Bundesvorstand und Landesvorsitzender in Sachsen-Anhalt, ließ sich laut Huffington-Post zu einer rassistischen Fotocollage hinreißen. Poggenburg twitterte: »Köln, Hamburg, Stuttgart und bald auch ganz in ihrer Nähe? So ist das halt mit Multi-Kulti ohne Sinn und Verstand!«. Dazu stellte er zwei Fotos. Auf dem oberen sind mutmaßlich drei weibliche Flüchtlingsunterstützer zu sehen, die im Oktober 2015 am Kölner Hauptbahnhof mit einem bunten Plakat, auf dem »Refugees welcome« zu lesen ist, begrüßen. Das untere Bild zeigt einen Schwarzer, wie er von hinten kommend eine verängstigte Frau umklammert. Obwohl der Bildtext suggeriert, die Aufnahme sei in der Silvesternacht in Köln entstanden, ist das Foto allerdings schon älter und findet sich schon länger im Internet wieder. Der tatsächliche Kontext ist völlig unklar. Poggenburg war die rassistische Darstellung am Ende offenbar zu heiß. Der Beitrag findet sich nicht mehr auf seinem Twitterprofil.

In den einschlägigen Foren und auf Facebookseiten vieler rassistischer Gruppen drücken nun viele Kommentatoren ihren Hass samt Gewaltfantasien – in den allermeisten Fällen ohne Widerspruch - offen aus. So tauschen sich unter einem Facebook-Eintrag von Pegida-Dresden zu Rekers-Armlängen-Hinweis Anhänger der rassistischen Bewegung darüber aus, welche Waffen im Fall eines möglichen Übergiffs sinnvoll wären. »Was lernt Frau aus diesen Vorfällen? Pfefferspray reicht nicht mehr, da muss ein Flammenwerfer her. Jetzt wird's aber langsam eng in der Damenhandtasche«, schreibt eine Nutzerin. Ein Mann ergänzt: »9mm - da gibt es gute Fabrikate - auch für die Handtasche.«

Besonders perfide werden die Kommentare dadurch, weil auch Pegida eine klare Verbindung zwischen Flüchtlingen und Vergewaltigungen herstellt. Dass dies ein alle Kulturen umfassendes, gesamtgesellschaftliches Problem darstellt, wird von der rassistischen Bewegung gezielt unterschlagen. Das Thema findet lediglich mit Bezug auf die »ausländischen Vergewaltiger« statt, wie es etwa in einem Eintrag vom Mittwoch heißt.

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