Urlaub fortsetzen, rät der Bundesinnenminister

BKA hat Spezialisten in die Türkei geschickt, das Rätselraten über die Hintergründe des Anschlages in Istanbul geht weiter

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Auch gut einen Tage nach dem Bombenanschlag in Istanbul herrscht unter deutschen Terrorismusexperten Ratlosigkeit über Motive und Hintermänner.

Das Bundeskriminalamt (BKA) hatte bereits am Dienstag Terrorismusexperten aus der Abteilung Staatsschutz in die Türkei entsandt. Noch, so bestätigte das BKA gegenüber »nd«, hätten die türkischen Kollegen keine Hilfe bei der Identifizierung der Opfer angefordert. Doch auch darauf wäre man vorbereitet, heißt es. Der Bundesinnenminister flog am Mittwoch in die Türkei. Nicht, weil er irgendwie auch Spezialist wäre oder etwas zur Aufklärung des Mordfalles beitragen könnte. Doch sonst hätte er womöglich im Bundestag über die Silvestervorkommnisse in Köln und in anderen deutschen Städten befragt werden können. Bislang, so Thomas de Maizière (CDU) gebe es keine Hinweise darauf, dass der Anschlag gezielt gegen Deutsche gerichtet war. Also bat er alle deutschen Touristen, ihren Türkei-Urlaub fortzusetzen. Allerdings unter Beachtung der Reisehinweise vom Auswärtigen Amt.

Dessen Chef, Frank-Walter Steinmeier (SPD), kommentierte den Mord von Istanbul so: »Der 11. Januar hat wieder schmerzlich gezeigt: Das Krebsgeschwür des Terrorismus verschont niemanden.« Da er derzeit auch den Vorsitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa innehat, rief Steinmeier alle Partner in der OSZE dazu auf, sich von Mord und Gewalt nicht einschüchtern zu lassen. Es gelte, dem Terror »auf allen Ebenen entgegen zu treten.« Dabei müssten viele Ansätze und Mittel zum Tragen kommen - von der Deeskalation von Konflikten über den Einsatz von Polizei und Rechtsstaat bis hin zur Bekämpfung mörderischer Ideologien in den Köpfen junger Menschen.

Nach dem Statement traf sich Steinmeier mit dem Koordinator der Hohen Kommission der syrischen Opposition und Ex-Ministerpräsidenten Syriens Riad Hidschab. Thema waren, so hieß es, die »Entschärfung des Syrien-Konflikts und die Vorbereitungen für die ab dem 25. Januar in Genf geplanten Friedensgespräche zwischen syrischen Konfliktparteien«.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) ließ sich in der ARD nur mit Allgemeinplätzen zitieren: »Wir wissen, dass Deutschland auch ein Ziel der Terrorristen ist, und deshalb ist eine allgemeine Gefährdung sicherlich nicht zu leugnen.«

Derweil rätseln Terrorismus- und Nahostexperten über die Urheberschaft des Anschlages. Dass sich der Islamische Staat (IS) per Attentatsserie gegen die Türkei wendet, gilt vielen als unwahrscheinlich. Auch wenn vom Stützpunkt Incirlik NATO-Flugzeuge gegen den IS starten, so bleibt Ankara doch der beste Verbündete der Terrororganisation. Mutmaßungen, wonach es sich um Rache kurdischer Kämpfer handelt, weil Ankara einen unerbittlichen Krieg gegen die Volksgruppe führt, sind ebenso fragwürdig. Denn mit dem Angriff auf Ausländer würde man die internationale Unterstützung für das kurdische Volk aufs Spiel setzen.

Klar ist, die Täter haben es - wie in Ägypten oder Tunesien - auf die Tourismusbranche und damit einen wichtigen Wirtschaftsfaktor abgesehen. Bereits vor dem Anschlag war der Umsatz der türkischen Tourismusindustrie gesunken. Im ersten Halbjahr 2015 lag er bei 11,5 Milliarden Euro und damit um neun Prozent niedriger als im Vorjahr. Seit dem Abschuss des russischen Kampfjets bleiben die Russen aus. Wenn nun auch deutsche Urlauber Buchungen stornieren, ergeben sich Probleme für den NATO-Partner Türkei, den die deutsche Regierung zur Bewältigung der Flüchtlingsprobleme aber dringend braucht.

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