Konto für alle nimmt Gestalt an

Auch Obdachlose und Flüchtlinge sollen Rechtsanspruch erhalten

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Konto für Jedermann - es nimmt Gestalt an. Am Freitag beschäftigte sich der Bundestag in Erster Lesung mit einem entsprechenden Gesetzentwurf der Großen Koalition.

Nach Schätzung des Bundesfinanzministeriums wird das »Konto für Jedermann« rund einer Million Menschen zugute kommen. Niemand, der ein einfaches Girokonto eröffnen will, soll künftig von Banken zurückgewiesen werden können. Ausdrücklich soll dies auch für Obdachlose und Asylbewerber gelten. Für sie ist es bislang schwer bis aussichtslos, ein Konto zu eröffnen, ohne das eine Bewältigung des Alltags gerade im Umgang mit Behörden erheblich erschwert wird. Mit dem Gesetz setzt Deutschland auch eine entsprechende EU-Richtlinie durch.

Nach den Koalitionsplänen müssen Banken Kontogebühren künftig so veröffentlichen, dass auch Verbraucher ohne Fachkenntnisse problemlos verschiedene Angebote vergleichen können. Ferner sollen Verbraucher leichter ihre Konten wechseln können. Dies ist jedoch Gegenstand der Kritik etwa der LINKEN. »Für Flüchtlinge sind zehn Euro im Monat jede Menge Geld«, meinte die Verbraucherschutzexpertin der Fraktion, Caren Lay in der Debatte. Sie monierte, dass die Koalition keine Gebührenfreiheit oder zumindest eine Deckelung vorsieht. Ein Basiskonto müsse kostenfrei sein - darüber solle vor der Verabschiedung des Gesetzes noch Einigkeit hergestellt werden.

Das neue Zahlungskontengesetz regelt die Einführung eines sogenannten Basiskontos für alle. Dieses einfache Girokonto auf Guthabenbasis soll künftig jeder eröffnen können, der sich legal in der Europäischen Union (EU) aufhält - und zwar bei einer Bank seiner Wahl. Über das Basiskonto sollen Verbraucher alle grundlegenden Zahlungsdienste nutzen können.

Die im Parlament beginnenden Beratungen über das schwarz-rote Gesetzesvorhaben seien »für eine große Zahl von Menschen ein bedeutender Tag«, und zwar zunehmend auch für Flüchtlinge, sagte der Parlamentarische Finanz-Staatssekretär Michael Meister (CDU). Trotz Skepsis der Kreditwirtschaft würden die Pläne nicht mehr geändert, versicherte er.

Der Gesetzentwurf schaffe »eine besonders einfache und effektive Möglichkeit zur Rechtsdurchsetzung«, lobte der Parlamentarische Staatssekretär im Verbraucherministerium, Ulrich Kelber (SPD). Verbraucher, denen ein Basiskonto verweigert wird, könnten »gegen die Ablehnung nicht nur vor den Zivilgerichten oder vor einer Verbraucherschlichtungsstelle vorgehen, sondern sie können sich auch direkt an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) wenden«. Der Gang zum Zivilgericht sei für viele Betroffene eine erhebliche Hürde, begründete Kelber.

Während es im Bundestag über die Besserstellung auch von Flüchtlingen bei der Kontoeröffnung relativ große Übereinstimmung über alle Fraktionen hinweg gibt, treten die Unterschiede zwischen Regierungskoalition und Opposition schnell zutage, wenn es um die Beurteilung der Einreise von Flüchtlingen geht. Der illegale Grenzübertritt ist in Deutschland strafbewehrt, auch wenn fast nie eine Verurteilung wegen unerlaubter Einreise erfolgt. Die LINKE will mit einem Antrag erreichen, dass nicht nur die Einreise von Flüchtlingen, sondern auch die »nicht gewerbs- und bandenmäßige Beihilfe hierzu« - also das, was in der öffentlichen Bezeichnung als Schleusung bezeichnet wird - entkriminalisiert werden. Die Chance, dass die Bundestagsmehrheit dieser Intention folgt, geht allerdings gegen Null. Ähnlich dürfte es um einen Antrag der Grünen stehen, der am selben Tag auf der Tagesordnung stand. Obwohl die Grünen darin an der »Strafbarkeit des Einschleusens von Ausländern« festhalten. Doch die strafrechtliche Verfolgung von Delikten, die nur Ausländer begehen können, indem sie etwa ihren Status zu verschleiern suchen, wollen die Grünen beenden. Auch diesem Antrag ist keine Aussicht auf Erfolg beschieden. Mit Agenturen Kommentar Seite 2

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