Hohe Erwartungen an Ruhanis Sieg

Die iranische Führung muss rasch für Verbesserungen im Alltag der Bevölkerung sorgen

  • Oliver Eberhardt
  • Lesedauer: 4 Min.

Auf diesen Tag haben die Iraner lange gewartet: Viele der Sanktionen gegen das Land sind nun aufgehoben. Doch ob sich die hohen Erwartungen erfüllen werden, ist längst nicht sicher.

Von Oliver Eberhardt

Auf die Freude folgte am Sonntagmorgen die Enttäuschung: Kurz nachdem er die Nachrichten gelesen hatte, habe er versucht, über seine Bank Geld an seine Familie in Iran zu überweisen, sagt Mahmud Farahan, ein in Frankfurt lebender Anwalt. Doch nein: »Es wird lange dauern, möglicherweise sogar Monate, bis iranische Banken wieder vollständig in den internationalen Zahlungsverkehr integriert sind,« sagt ein Sprecher des internationalen Zahlungsverkehrssystems Swift in Brüssel.

Und bis dahin bleibt für Privatleute wie für Unternehmen und Organisationen alles so, wie es seit Jahren war: Überweisungen sind nur über teure Umwege möglich. Und die Hürden für Investitionen im Land bleiben hoch - aus Sicht Farahans ein Unding. »Die Einigung im Atomstreit ist nicht von heute auf morgen gekommen; dass die Sanktionen aufgehoben werden, war absehbar.«

Die Geschwindigkeit, mit der die Erleichterungen nun spürbar werden, sei für Iran von existenzieller Bedeutung, sagt auch ein Sprecher des iranischen Präsidenten Hassan Ruhani: In einer Rede vor dem iranischen Parlament hatte er am Sonntagmorgen gesagt, in der Geschichte des Landes sei »eine goldene Seite« aufgeschlagen worden; das iranische Volk habe einen »glorreichen Sieg« errungen.

Doch der Gegenwind ist beträchtlich: In Iran selbst kritisieren konservative Politiker das Atomabkommen als »Schmach«, als »Einknicken vor dem Westen«. So musste Iran den Schwerwasserreaktor Arak zu einem Forschungsreaktor umbauen, und Beschränkungen der Forschung zustimmen. Außerdem musste der Bestand an angereichertem Uran von 12 000 auf 300 Kilogramm und die Zahl der Zentrifugen auf 6000 verringert werden. In Iran war das Atomprogramm für viele Hardliner stets auch eine Frage des Nationalstolzes gewesen.

Wie auch im Westen hatte es in der Islamischen Republik eine monatelange, mit harten Bandagen geführte politische Debatte über das Atomabkommen gegeben, an deren Ende das Parlament vor allem wegen der Aussicht auf einen wirtschaftlichen Aufschwung zugestimmt hatte.

Ende Februar werden Parlamentswahlen stattfinden. Die Europäische Union und die Vereinigten Staaten hoffen, dass die nun erfolgte Aufhebung der Sanktionen den Moderaten um Präsident Ruhani ausreichend Rückenwind verschafft, um dann eine zuverlässige Mehrheit zu erlangen. Denn aus westlicher Sicht ist nur dann garantiert, dass Iran seinen Verpflichtungen dauerhaft nachkommen wird.

Gleichzeitig ist aber eben dieser Wahlerfolg davon abhängig, ob die Folgen des Abkommens für die Bevölkerung auch schnell spürbar werden. Und das ist nicht nur wegen der technischen Beschränkungen wie Swift längst nicht sicher: Vor allem Irans Erzrivale Saudi-Arabien arbeitet hart daran, dem Land die Rückkehr auf den Weltmarkt so schwer wie möglich zu machen.

So hatte Saudi-Arabien in den vergangenen Monaten den Ölpreis massiv auf nunmehr unter 30 Dollar pro Barrel gedrückt, und dafür sogar ein eigenes großes Haushaltsdefizit hingenommen. Iran ist, trotz der Sanktionen, über die Jahre hinweg weitgehend abhängig von der Ölförderung geblieben: Schon in den kommenden Tagen soll die Produktion von derzeit 1,1 Millionen Barrel auf 1,6 Millionen Barrel hochgefahren werden. Doch ob sich daraus auch tatsächlich Mehreinnahmen ergeben, hängt stark davon ab, wie der Ölpreis darauf reagieren wird.

Dass Saudi-Arabien so massiv gegen Iran arbeitet, hat aber auch mit den dortigen Bestrebungen nach Einfluss in der Region zu tun: In Syrien unterstützt das Mullah-Regime die Regierung von Baschar al-Assad; in Jemen hat sich das Land auf die Seiten der Huthi-Milizen gestellt, gegen die Saudi-Arabien, offiziell an der Spitze einer internationalen Militärallianz, Krieg führt. Ein wirtschaftlich und außenpolitisch starkes Iran wird auf der arabischen Halbinsel als Bedrohung für die Stabilität in der Region gesehen - eine Sichtweise, die vor allem bei konservativen US-Politikern ebenfalls viele Freunde hat.

Die werden nun ihrerseits noch härter die Administration von Präsident Barack Obama angreifen. Allerdings bleibt diese auch nach dem Atomdeal mit Iran nicht tatenlos: Noch am Sonntag verhängte das US-Wirtschaftsministerium neue Sanktionen gegen ausgewählte iranische Bürger und Firmen wegen der jüngsten Raketentests - die jedoch nicht mit dem Atomprogramm in Verbindung stehen.

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