»Der DFB hat seine Basis verloren«

Peter Meyer, Vorsitzender des Wirtschaftsrates beim BFC Dynamo, über Existenzängste des Regionalligisten

  • Frank Willmann
  • Lesedauer: 5 Min.

In der Regionalliga Nordost ruht seit 1. November 2020 der Spielbetrieb. Wieso wird in anderen Regionalligen Fußball gespielt, im Osten aber nicht?

Die Regionalliga West und Südwest wurden als Profiligen eingestuft, die Regionalliga Nordost als Amateurliga. Dadurch greifen die für den Profisport geltenden Bestimmungen für uns nicht und ein Spielbetrieb ist ausgeschlossen.

Zur Person
Peter Meyer ist seit mehr als 13 Jahren Wirschaftsratsvorsitzender des BFC Dynamo. Der 53-Jährige Unternehmer aus dem Immobilienbereich hat den Klub zusammen mit vielen Mitstreitern entschuldet und das Image des Vereins positiv gestaltet. Seinen Verein trifft die Coronakrise, wie auch alle anderen Regionalligisten im Nordosten, hart. Meyer kritisiert im Gespräch mit »nd« die Fußballverbände.

Wie geht es dem BFC im Januar 2021?

Der BFC Dynamo e.V. kämpft mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie. Unsere Kosten laufen weiter, doch unsere Einnahmen haben sich auf ein Minimum reduziert. Bis auf den Verkauf von Fanartikeln ist alles zum Erliegen gekommen. Der Verein erfährt zum Glück eine große Unterstützung durch seine Fans und Sponsoren, die ihm helfen, diese Zeit zu überstehen.

Was hat Corona im Verein verändert?

Die Stimmung ist gedrückt, uns fehlen die Kontakte zu anderen Menschen. Die Unsicherheit, wann und wie es mit dem Spielbetrieb weitergeht, ist dabei das größte Problem.

Wie ist die Gemütsverfassung des Kaders, wovon bestreiten die Spieler ihren Lebensunterhalt?

Natürlich ist es für unsere Spieler nicht einfach, mit der Situation umzugehen. Sie haben individuelle Trainingspläne, um sich fit zu halten, aber ein Fußballspieler braucht den Trainings- und Spielbetrieb mit der Mannschaft. Das ist momentan nicht möglich und belastet die Spieler sehr. Die Spieler sind in Kurzarbeit, bei finanziellen Notsituationen helfen wir als Verein. So kommen wir alle gemeinsam durch die schwere Zeit.

Glauben Sie noch an die Beendigung der Regionalligasaison 2020/2021?

Ich denke, das kann niemand sicher voraussagen. Ich sehe den Spielbetrieb ab Mai oder Juni, maximal mit der Beendigung der Hinrunde.

Man hat ein wenig das Gefühl, die Regionalliga Nordost hätte sich aufgegeben.

Hier muss man gnaz klar den Nordostdeutschen Fußball-Verband NOFV kritisieren! Es fehlt an klaren Aussagen wie es weitergeht, es ist kein Konzept erkennbar, obwohl man damit rechnen musste, dass es nach dem ersten Lockdown noch mal zu dieser Situation kommen könnte. Der Verband sorgt durch die fehlenden Entscheidungen für eine gravierende Planungsunsicherheit bei den Vereinen.

Was wünscht sich der BFC für eine Lösung, um die Saison zu Ende zu bringen?

Viele Vereine sehen in möglichen Playoff-spielen die Chance, noch in die 3. Liga aufzusteigen. Ich glaube, dass es dazu nicht kommen wird. Viktoria Berlin hat eine überragende Hinrunde absolviert und wird am Ende durch die Quotientenregel aufsteigen. Wichtig ist, dass wir die aktuelle Saison zum 30. Juni 2021 beenden und nicht endlos weiterführen, damit man für die nächste Saison Ende August beziehungsweis Anfang September planen kann. Für uns als Verein ist jede Fortsetzung der aktuellen Saison ohne Zuschauer ausgeschlossen. Das würde zu hohen Kosten führen, die uns zusätzliche Probleme bereiten würden.

Zeigt sich der DFB in der Coronakrise mit den Amateurvereinen solidarisch?

Es gibt keine Unterstützung seitens des DFB. Leider zeigt sich in dieser schweren Zeit einmal mehr, dass der DFB seine Basis im Amateurbereich verloren hat und den Klubs unter der 3. Liga nicht finanziell zur Seite steht.

Aktuell sehen wir in Uerdingen, wohin die Abhängigkeit von ominösen Investoren einen Klub treiben kann.

Vereine der unteren Ligen sind heute zum großen Teil von einem Geldgeber abhängig. Durch die Entwicklung der Gehälter der Spieler reichen die Einnahmen des Spielbetriebs nicht mehr aus. Prinzipiell ist ein Geldgeber, der sein Herz an einen Verein verloren hat, für diesen eine gute Sache. Denn rational gesehen, macht das Investment in einen unterklassigen Verein keinen Sinn, da die Aussicht, das eingesetzte Kapital zu vermehren oder zumindest wiederzubekommen, sehr gering ist. Ist der Verein für den Investor nur ein Spielzeug oder Mittel zur Selbstdarstellung, wird der Verein in Schwierigkeiten kommen, wenn dieser die Lust verliert. Auf der anderen Seite gibt es aber positive Beispiele im Fußball, wenn die Gewinnerzielung nicht im Vordergrund steht und der Geldgeber mit dem Verein verbunden ist.

Was haben Sie für eine Vision für den BFC in der Zukunft?

Einen BFC Dynamo, der wirtschaftlich stabil aufgestellt ist und mit einer ausgegliederten Kapitalgesellschaft in einigen Jahren am Spielbetrieb der 3. Liga teilnimmt. Das Konzept für die Schaffung der dafür notwendigen Strukturen und finanziellen Mittel wurde von uns erarbeitet und steht zur Umsetzung bereit. Wir werden zusammen mit unseren Mitgliedern und Fans diesen Weg besprechen - und wenn er Zustimmung findet, auch umsetzen. Wir können und wollen den Fußball nicht neu erfinden, aber wir leben beim BFC von unserem Zusammenhalt und deshalb liegt es mir am Herzen, alle geschlossen hinter einem neuen Weg des Vereins zu wissen und mit auf die sicherlich schwierige Reise zu nehmen.

Der BFC wird demnächst wieder in Hohenschönhausen spielen. Sehen Sie darin eine Chance?

Der BFC kehrt nach Hause ins Sportforum zurück, wo ihn seine Fans sehnsüchtig erwarten. Das wird uns allen guttun, da wir vor und nach den Spielen gemeinschaftlich Zeit im Vereinsheim verbringen können. Es wird dadurch wieder familiärer beim Verein, das ist uns im Jahnsportpark ein wenig verloren gegangen.

Am 21. Januar wurde mit Hermann Winkler ein neuer NOFV-Präsident gewählt. Was erwarten Sie von ihm?

Ich erwarte von ihm keine neuen Impulse, da es sich nur um eine Positionsveränderung der jetzt schon tätigen Personen handelt. Der Verband hatte eine historische Chance mit der Regionalligareform vor zwei Jahren - damalige Forderung der Fans und vieler Vereine: »Meister müssen aufsteigen!«. Diese wurde kläglich vertan, weil die unveränderte Erhaltung des Verbandes und die eigenen Posten wichtiger waren als eine sportlich faire Lösung für die Vereine, die so auch in Zukunft um den Lohn einer ganzen Saison gebracht werden und den schweren Weg über Relegationsspiele gehen müssen.

Gespräch: Frank Willmann
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