Auch Aas kann lecker sein

Artenschutz mit Nebenwirkung: Wo Löwenbestände zunehmen, stellen Hyänen das Jagen weitgehend ein.

  • Kai Althoetmar
  • Lesedauer: 4 Min.

Wo sich Löwenpopulationen erholen, ändern Hyänen ihr Jagdverhalten grundlegend und konzentrieren sich auf Aas und kleinere Beutetierarten. Das zeigt eine Langzeitstudie eines europäisch-afrikanischen Forscherteams, das in Simbabwes Hwange Nationalpark das Fressverhalten von Tüpfelhyänen untersuchte, nachdem dort die Jagd auf Löwen verboten worden war und die Löwendichte zugenommen hatte.

Die Hyänen im Untersuchungsgebiet verlegten sich nach dem Anwachsen der Löwenpopulation demnach hauptsächlich auf den Verzehr von Aas und das Erlegen kleinerer Beutetierarten wie Warzenschweine und reduzierten drastisch ihre Jagden auf mittelgroße Beutetierarten wie Zebras, Gnus, Kudus und Büffel, die bevorzugt von Löwen erlegt werden. An Aas fraßen die Hyänen fortan vor allem die Überreste von Elefanten und Giraffen.

Hauptgründe für den Verhaltenswandel ist, dass Hyänen vor allem männlichen Löwen aus dem Weg gingen, zugleich aber vom Aas großer Kadaver wie Elefanten und Giraffen profitieren, die zuvor von Löwen erlegt worden sind, und zwar maßgeblich von männlichen Löwen.

In Afrikas Savannen sind Löwen und Tüpfelhyänen die größten und zahlenmäßig häufigsten Raubtiere. In den Randzonen des Hwange Nationalparks war von 2005 bis 2008 die Trophäenjagd auf Löwen verboten. Vor allem Löwenmännchen haben Auslandsjäger im Visier. Infolge des Jagdmoratoriums nahm die Populationsdichte der Löwen binnen fünf Jahren um 75 Prozent zu, in den Rudeln stieg der Anteil ausgewachsener männlicher Löwen stark an.

Das Forscherteam um Stéphanie Périquet von der Universität Lyon hatte für seine Studie Hyänen eingefangen und mit GPS-Halsbandsendern ausgestattet, an Wasserlöchern die Größe der Hyänenclans ermittelt und untersucht, welche Beutetierarten die Hyänen fressen. Die Forscher waren schnell am Ort, wenn die GPS-Daten der besenderten Hyänen auf ein »Fressgelage« hindeuteten. Nachdem die Tiere abgezogen waren, wurden Kot und Kadaverreste eingesammelt und untersucht. Anschließend wurden Statistiken erstellt, welchen Anteil welche Spezies an der Ernährung der Hyänen hatte - zum einen im Zeitraum von 1999 bis 2005, als noch Löwen gejagt wurden, zum zweiten für den Zeitraum von 2008 bis 2013, nachdem sich die Löwenbestände erholt hatten.

Hyänen gelten als Nahrungsgeneralisten, die nehmen, was sie bekommen können. Die ermittelten Daten zeigten »einen Wechsel der Hyänen von aktiver Jagd zur Ernährung durch Aas, weil das Risiko von Kleptoparasitismus durch Löwen und die Konkurrenz zwischen beiden Arten gestiegen ist«, schreiben die Forscher. Kleptoparasitismus beschreibt das Phänomen, dass eine Raubtierart einer anderen die Beute wieder abjagt. Zwischen Löwen und Hyänen geschieht dies oft.

Hyänen trauen sich das aber nur, wenn im Löwenrudel keine ausgewachsenen Männchen sind. Aus diesem Grund, so die Studie, gelangten die Hyänen kaum noch an Büffelfleisch, nachdem die Anzahl stattlicher Löwen zugelegt hatte - was ihnen zuvor noch oft mittels Beuteraub bei herrenlosen Löwenrudeln gelungen war. Eigenständig die mächtigen Kaffernbüffel zu erlegen, gelingt Hyänen kaum, Löwen aber sehr wohl.

Auch die Bestände an Beutetieren - von Elefanten bis zu Antilopen - ermittelten die Forscher grob. Nach Erholung der Löwenbestände war deren Biomasse um gut sechs Prozent gesunken. Vor allem unter Giraffen und Gnus ging mit Erholung der Löwenbestände ein Einbruch einher, während die Zahl der Elefanten konstant blieb.

Im Fachjournal »Journal of Zoology« (Bd. 297, S. 245) schlussfolgern die Forscher aus ihren Ergebnissen, dass sich zwischen Löwen und Hyänen eine stabile Koexistenz herausbildet, wenn der Mensch nicht eingreift. Die Hyänenbestände blieben den Löwen zum Trotz konstant. Eine Besonderheit im Hwange-Park ist der extrem hohe Elefantenbestand. Die Dickhäuter stellen dort 75 Prozent der Biomasse unter allen pflanzenfressenden Säugetieren - ein Grund, warum sich im Hwange-Park ganze Löwenrudel mit Alpha-Männchen auf sie als Beuteart konzentrieren.

Dass Raubtiere ihr Fressverhalten ändern, wenn Konkurrenten anderer Gattungen erstarken, ist zum Beispiel aus Indien bekannt. Wo dort der Tiger wiederauftauchte, verlegten sich Leoparden verstärkt auf kleinere Beutetiere und Nutzvieh. Und wo sich in Nordamerika Wölfe wieder ansiedelten, nahmen Vielfraße und Kojoten deren Beutereste auf ihren Speiseplan. Die Forscher folgern daher, »dass vor allem das Ausmaß des zwischenartlichen Zusammenspiels mit Löwen über die Jagdstrategie der Hyänen entscheidet«.

Dürreperioden oder Tierseuchen scheiden als Ursachen für das veränderte Fressverhalten der Hyänen aus - da es sie nicht gab. Mit einer Änderung der Größe der Hyänenclans war deren neuer Speisezettel auch nicht zu erklären. In der Phase hoher Löwendichte waren die Clans von Crocuta crocuta sogar größer - eigentlich eine ideale Voraussetzung, um Huftiere wie Gnu oder Zebra zu reißen. Bekannt ist auch, dass sich Hyänen in der Gruppe sogar an Elefantenkälber wagen. Die Hyänen von Hwange zogen es aber vor, sich vorrangig mit dem zu begnügen, was die Löwen von ihrer Beute übrig ließen - frei nach dem Motto: »Bitte nach Ihnen, Herr Löwe!«

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