SPD macht sich Hoffnung auf Chefsessel in Frankfurt

Hessens Kommunen eröffnen Wahlrunden des Jahres / Stimmungstest für drei Landtagswahlen eine Woche später

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 5 Min.
In Hessen werden am 6. März und somit eine Woche vor den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg die Gemeindeparlamente und Kreistage neu gewählt.

Die Ergebnisse von Kommunalwahlen haben auch in Hessen viel mit lokalen und regionalen Besonderheiten und deIn Hessen werden am 6. März und somit eine Woche vor den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg die Gemeindeparlamente und Kreistage neu gewählt. m Personal auf den örtlichen Kandidatenlisten zu tun. So kann auch das hessische Kommunalrecht, das keine Fünf-Prozent-Hürde kennt, mit Instrumenten wie der Stimmenhäufung (Kumulieren) für einzelne Kandidaten Überraschungen bringen und die Reihung auf Bewerberlisten durcheinanderwirbeln. Doch angesichts einer aufgeheizten und polarisierten Stimmung im Lande dürfte auch dieser bundesweit erste relevante Urnengang des Jahres zum Barometer für die Landtagswahlen in drei Bundesländern eine Woche später werden.

Dass in Hessen Wahlfieber ausgebrochen ist, war auch bei der jüngsten dreitägigen Plenarsitzung des Wiesbadener Landtags zu spüren, die am Donnerstagabend zu Ende ging. Mehr noch als gewöhnlich erinnerte das Geschehen an eine Wahlkampfarena. Schließlich sitzen auch viele Landtagsabgeordnete in kommunalen Gremien oder sind zumindest führende Funktionäre in lokalen Parteigliederungen. Dabei versuchte sich die seit zwei Jahren regierende schwarz-grüne Koalition, die von CDU-Regierungschef Volker Bouffier auch als Vorzeigemodell für den Bund angepriesen wird, in optimistischen Jubelmeldungen über niedrige Arbeitslosenzahlen und einen ausgeglichenen Landeshaushalt zu sonnen. Die Oppositionsparteien hingegen beklagten ein Ausbluten der kommunalen Finanzausstattung und strikte Kürzungsauflagen des Landes infolge des kommunalen »Rettungsschirms« für finanziell angeschlagene Städte und Kreise.

Die Stimmung der Wiesbadener Koalitionäre war in den letzten Tagen durch die jüngste Forsa-Meinungsumfrage für die Bankenmetropole Frankfurt am Main getrübt worden, die die konservative Frankfurter Neue Presse (FNP) in Auftrag gegeben hatte. Demnach droht die schwarz-grüne Rathauskoalition, bislang auch ein Referenzprojekt für die Landesebene, ihre bisherige Mehrheit einzubüßen. Vor allem die Grünen, aber auch die CDU müssen mit empfindlichen Verlusten rechnen. Die Frankfurter SPD hingegen, vor fünf Jahren auf 21,3 Prozent abgestürzt, könnte mit einem Zuwachs auf 29 Prozent erstmals seit Jahrzehnten die Christdemokraten überholen und auf Platz zwei verweisen. Schon 2012 hatte SPD-Mann Peter Feldmann bei der OB-Direktwahl überraschend den vermeintlichen Favoriten Boris Rhein (CDU) geschlagen. Eine ähnliche Überraschung erlebte ein Jahr später Wiesbaden. Auch für Städte wie Hofheim oder Limburg sagen die Umfragen SPD-Gewinne und Verluste für Schwarz-Grün voraus. Die Hessen-SPD, die im einstigen »roten Hessen« seit 1999 auf der Oppositionsbank sitzt, schöpft daraus die Hoffnung, dass sie sich vom negativen Trend der Bundespartei abkoppeln und am 6. März die CDU überrunden könnte.

2011 hatten die Christdemokraten mit 33,7 Prozent knapp vor der SPD gelegen, die auf 31,5 Prozentpunkte kam. Die Grünen errangen damals, kurz nach der Atomkatastrophe in Japan landesweit 18,3 Prozent und dürften dieses Niveau diesmal - ohne jenen Fukushima-Effekt - nicht mehr erreichen.

Auf der Gewinnerseite sieht sich nun auch die LINKE, der die Demoskopen in Frankfurt immerhin einen deutlichen Zuwachs von 5,4 auf glatte neun Prozent zutrauen. Damit hätte die Partei in der mit Abstand größten Stadt des Landes eine ähnlich starke kommunale Verankerung wie seit langem bereits in der Universitätsstadt Marburg. Dort hatte die frühere PDS schon 1997 beachtliche 6,2 Prozent und vier Sitze im Rathaus erobert und damit für Hessen einen ersten kommunalen Durchbruch erzielt. Bei der Marburger OB-Direktwahl 2015 verfehlte ihr Bewerber nur knapp die Zehn-Prozent-Marke und überrundete die Grünen-Kandidatin. Die Partei, der in Hessen dreimal in Folge der Einzug in den Landtag gelungen war, tritt flächendeckend in allen kreisfreien Städten und Landkreisen mit eigenen Listen oder vereinzelt auch in Wahlbündnissen an.

Ob es in Frankfurt zu einem rot-rot-grünen Rathausbündnis kommen könnte, ist indes völlig offen. Manche in SPD und Linkspartei scheinen damit zu liebäugeln, SPD-Fraktionschef Klaus Oesterling hatte diese Option Ende 2015 öffentlich in Betracht gezogen. Letztlich könnten die auf die CDU fixierten Frankfurter Grünen im Falle eines Falles eher die FDP für ein »Jamaika-Bündnis« erwärmen, argwöhnen Beobachter der Szene.

Dass Stimmungen in demoskopischen Schnappschüssen noch längst keine sicheren Stimmen sind, verdeutlicht auch ein anderes Detail der jüngsten Forsa-Umfrage. So weiß eine knappe Mehrheit der Frankfurter Einwohner noch gar nicht, dass demnächst gewählt wird. Tatsächlich leiden die Kommunalwahlen auch in hessischen Städten seit Jahrzehnten unter sinkender Wahlbeteiligung, was manche Trends verzerrt. So sieht sich auch in Hessen die Rechtspartei AfD mit steigenden Umfragewerten im Auftrieb. Nach der Spaltung ihres Bundesverbands im letzten Sommer haben sich die meisten hessischen Kreisverbände wieder so weit stabilisiert, dass sie in den kreisfreien Städten und vielen Landkreisen auf den Stimmzetteln steht und sich ohne großes Zutun viele Proteststimmen erhoffen kann. Die von Ex-AfD-Chef Bernd Lucke ins Leben gerufene neue Partei Alfa tritt hingegen nur in drei Städten und einem Landkreis an.

Die AfD-Programmatik ist auch vor Ort rückschrittlich und elitär wie platt und dürftig. So konzentriert sich die Partei in ihren Aussagen zur Kreistagswahl im Rheingau-Taunus-Kreis auf Kritik an einer »Massenzuwanderung aus fernen Ländern«, ein Bekenntnis zum Erhalt von Sonder- und Förderschulen, den Ruf nach mehr Polizei und ihr Nein zu Windrädern. Im Landtag roch es am Donnerstag bei einer aktuellen Stunde zu rechten Umtrieben und Aussagen von AfD-Vorstandsmitgliedern über Schusswaffengebrauch gegen Flüchtlinge gar nach einem Hauch von »Gemeinsamkeit der Demokraten«. Doch als ein CDU-Mann in der Debatte den in hessischen CDU-Kreisen üblichen Standardsatz »Auch der Linksextremismus stellt ein großes Problem dar« einwarf, löste er bei SPD und Linkspartei lautstarke Empörung aus. »Wo kommt denn der Gauland her?« so ein Zwischenruf aus den Oppositionsreihen in Anspielung auf AfD-Vizechef Alexander Gauland, der in der Hessen-CDU eine steile Karriere gemacht und unter CDU-Ministerpräsident Walter Wallmann von 1987 bis 1991 die Hessische Staatskanzlei geleitet hatte.

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