US-Wahl: Sanders rückt in Umfragen an Clinton heran

Sozialist liegt in landesweiter Umfrage nur noch zwei Prozentpunkte hinter früherer Favoritin der Demokraten / Präsidentschaftsbewerber vor allem bei Jugendlichen und Frauen beliebt

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Washington. Die Stimmung bei den Wahlkampfauftritten von Bernie Sanders hat immer etwas von einem Rockkonzert. Das Publikum ist jung und enthusiastisch, manchmal unterbricht ein Zwischenrufer den Präsidentschaftsbewerber der US-Demokraten mit einem begeisterten »Bernie, I love you!«. Der 74-jährige Senator aus Vermont mit schütterem grauen Haar und dröhnender Stimme ist ein ungewöhnlicher Anführer einer Jugendbewegung - und entwickelt sich zunehmend zu einer ernsthaften Konkurrenz für die Favoritin Hillary Clinton.

Bei der ersten Vorwahl um die demokratische Nominierung vor einer Woche in Iowa landete Sanders wenige Zehntelprozentpunkte hinter Clinton. Für den nun anstehenden Urnengang am Dienstag in New Hampshire sagen Meinungsforscher einen deutlichen Sieg des demokratischen Sozialisten voraus.

Auch in landesweiten Umfragen holte der Senator zuletzt auf: Einer in der vergangenen Woche veröffentlichten Erhebung der Quinnipiac Universität zufolge liegt Sanders bei 42 Prozent, Clinton bei 44 Prozent. Im Dezember hatte die frühere Außenministerin noch mehr als 30 Prozentpunkte in Führung gelegen.

Das Kernanliegen des Senators ist eine »politische Revolution«, um den Wohlstand in den USA gerechter zu verteilen und den Einfluss reicher Wahlspender auf die Demokratie zu begrenzen. »Er ist der einzige Politiker in meinem ganzen Leben, der mir Hoffnung und Leidenschaft gegeben hat«, sagte die 31-jährige Andrea Hogan, eine alleinerziehende Mutter mit drei Kindern, bei Sanders' Wahlparty in Iowa.

Wenn der 74-Jährige Reden hält, brüllen Anhänger seine Botschaft an die Milliardärskaste mit: »Genug ist genug.« Studiengebühren an staatlichen Universitäten will Sanders abschaffen, den Mindestlohn auf 15 Dollar in der Stunde anheben, die Steuern für Reiche und die Wall Street erhöhen. Außerdem schwebt ihm eine staatliche Krankenversicherung vor, die für alle Bürger das Recht auf Gesundheitsversorgung gewährleistet.

Sanders' Ansichten lassen sich mit denen von Sozialdemokraten europäischer Prägung vergleichen, in den Vereinigten Staaten liegt er damit aber weit im linken Bereich des politischen Spektrums. In der Außenpolitik ist er ein Gegner von US-Militäreinsätzen, anders als Clinton votierte er gegen den Einmarsch in den Irak. »Einer von uns hat richtig abgestimmt und der andere von uns nicht«, sagte der Senator bei der jüngsten Fernsehdebatte.

Sanders stammt aus einer polnisch-jüdischen Einwandererfamilie und wuchs im New Yorker Stadtteil Brooklyn auf. Seine politischen Wurzeln liegen in der Studentenbewegung der 60er Jahre, er engagierte sich für die Rechte afroamerikanischer Bürger und gegen den Vietnamkrieg. Sein erstes Amt hatte Sanders ab 1981 als Bürgermeister von Burlington in Vermont inne, 1990 schaffte er den Sprung ins Repräsentantenhaus nach Washington.

Im Jahr 2006 gewann er einen Senatssitz und wurde 2012 mit 71 Prozent der Stimmen wiedergewählt. Seine politische Karriere bestritt er lange als Parteiloser, auch wenn er im Kongress mit den Demokraten zusammenarbeitete. Vergangenes Jahr trat er schließlich in die Demokratische Partei ein und erklärte seine Bewerbung um die Präsidentschaftskandidatur.

Sanders präsentiert sich als Außenseiter, der seit Jahrzehnten für seine Überzeugungen einsteht und sich nicht an den politischen Spielchen in Washington beteiligen möchte. Persönliche Attacken auf die Konkurrenz kommen für ihn nicht in Frage. Die von den Republikanern angefachte Affäre um Clintons Nutzung privater E-Mails in ihrer Zeit als Außenministerin will er nicht ausschlachten. »Die amerikanische Bevölkerung hat es satt, von diesen verdammten E-Mails zu hören«, sagte er bei einer Fernsehdebatte.

Sanders lebt in Burlington und ist in zweiter Ehe verheiratet. Er hat einen leiblichen Sohn und drei Stiefkinder. Den Vorwurf, dass ihm für das Präsidentenamt die Regierungserfahrung fehle, konterte er am Wochenende im Fernsehsender CBS: »Tja, das haben sie 2008 auch über Barack Obama gesagt, und es hat sich als falsch herausgestellt.« AFP/nd

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