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Dach über dem Kopf für Flüchtlinge

Kommunen und Träger der Wohlfahrtspflege könnten Wohnungsvermieter sein

  • Claus Dümde
  • Lesedauer: 3 Min.
Zur Integration von Flüchtlingen gehört neben dem Erlernen der Sprache und einem Arbeits- bzw. Ausbildungsplatz auch die eigene Wohnung.

»Kann meine Wohnung zugunsten von Flüchtlingen beschlagnahmt werden?« So lautete im Herbst 2015 eine Schlagzeile im Online-Magazin von anwaltsauskunft.de »Die Sorge ist weitgehend unbegründet«, hieß die Antwort von Rechtsanwalt Thomas Hannemann, Chef der DAV-Arbeitsgemeinschaft Mietrecht und Immobilien. Selbst bei Leerstand komme das nur dann in Frage, wenn der Eigentümer die Wohnung nicht vermietet, weil er auf künftig steigende Mieten spekuliert. Auch würden niemandem Flüchtlinge »in die Wohnung gesetzt«, wie das nach Ende des Zweiten Weltkriegs geschah. »Die Obdachlosigkeit hatte damals eine ganz andere Dimension«, so der Experte.

Doch damit ist natürlich den Hunderttausenden Flüchtlingen nicht geholfen, die zum Teil schon Monate auf engstem Raum in Notunterkünften wie Flugplatzhangars, Ex-Baumärkten oder Turnhallen leben. Deshalb hatte der DAV kürzlich in Berlin Juristen aus Ministerien, Bundestag, Vertretungen der Länder und Journalisten zum Gespräch über mietrechtliche Fragen bei der Integration der geflohenen Menschen eingeladen.

Eine Beschlagnahme leerstehender Immobilien zur Unterbringung von Flüchtlingen ist zwar in Hamburg und Bremen durch spezielle Gesetze, in den anderen Ländern gestützt auf die polizeirechtliche Generalklausel zur Gefahrenabwehr denkbar, erläuterte Rechtsanwältin Beate Heilmann, aber nur als »ultima ratio«. Selbst in Hamburg habe es das noch nicht gegeben, wo Voraussetzung dafür sei, dass die »angemessene Unterbringung« aller Flüchtlinge in Erstaufnahme- und Folgeeinrichtungen nicht möglich ist. Denn generell müssten die Gemeinden dafür vorrangig eigene Immobilien nutzen, andere erwerben oder anmieten. Wenn es sich dabei nicht um Wohnungen handelt, komme nur ein Gewerbemietvertrag in Frage. Dies sei »aus Vermietersicht vorteilhaft«, so die Anwältin. Denn dabei ist der Vermieter nicht an die Beschränkungen durch spezielle Wohnraumvorschriften zu Mietpreisbremse, Mieterhöhungen und Mieterschutz bei Kündigung oder Umwandlung in Wohneigentum gebunden. Andererseits muss der Vermieter dafür einstehen, dass die Immobilie für den vereinbarten Nutzungszweck - also für Flüchtlinge - geeignet ist und insbesondere öffentlich-rechtliche Vorgaben eingehalten werden. Generell hätten die Partner größere Gestaltungsfreiheit beim Vertragsinhalt.

Eine zweite rechtliche Möglichkeit, für Flüchtlinge Wohnungen zu finden, bietet die in Paragraf 549 BGB fixierte Regelung für »Menschen mit dringendem Wohnbedarf«. Auch dabei wird der Vermieter von den oben genannten Bestimmungen des Mieterschutzes befreit, wenn als Mieter eine »juristische Person des öffentlichen Rechts«, also beispielsweise Kommunen oder Landesämter für Migration und Flüchtlingsangelegenheiten oder ein »anerkannter privater Träger der Wohlfahrtspflege« auftritt und die Absicht erklärt, die Wohnung Flüchtlingen zu überlassen. Rechtsanwältin Heilmann sieht darin einen doppelten Anreiz für Vermieter, da er auch einen leistungsfähigen »Hauptmieter« erhält.

Ob so in Großstädten und Ballungszentren das Problem mit dem Mangel an preiswertem Wohnraum gelöst werden kann, ist fraglich. In der Runde beim DAV wurde deshalb auch geäußert, ohne Zuweisung von Flüchtlingen in Gebiete mit Wohnungsleerstand werde es wohl nicht gehen. Doch dort fehlt es eben meist an Arbeitsplätzen.

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