Nachdenken statt hetzen
Silvia Ottow über Defizite bei der gesetzlichen Krankenversicherung
Wenn es nicht so traurig wäre, müsste man lachen. Drohende Finanzdefizite in der gesetzlichen Krankenversicherung auf die Flüchtlingszahlen zu schieben, ist nun wirklich eine groteske Verzerrung der Wirklichkeit. Zur Erinnerung: Seit Jahren findet ein von den Regierungsparteien in voller Absicht betriebener Umbau der solidarischen, umlagefinanzierten Krankenversicherung in private Unternehmen statt, die sich allein von ihren Versicherten bezahlen lassen und alle Chancen bekommen sollen, dass sich das auch richtig lohnt. Gewinn privatisieren, Risiken auf die Versicherten verteilen. Da sind Finanzlöcher willkommen, um Grund für Beitragserhöhungen zu haben. Flüchtlinge, gegen die man hetzen kann, offenbar auch.
Zur Wahrheit gehört, dass für die gesundheitliche Versorgung von Hartz-IV-Beziehern noch nie die kostendeckende Summe von der Bundesagentur für Arbeit an die Kassen überwiesen wurde, und dass der Bundesfinanzminister fast jedes Jahr in den Gesundheitsfonds langt. Seltsamerweise fand sich zur Beseitigung dieser Übergriffigkeiten bisher keine Lobby, obwohl es weder an Hinweisen fehlte noch an Ideen, wie man aus der defizitären privatorientierten Gesundheitsversorgung ein bürgerfreundliches und weniger teures System machen kann, das vorübergehende Herausforderungen zu bewältigen imstande ist. Vielleicht wäre es im Hinblick auf die Gesundheit von Menschen nach einer lebensbedrohlichen Flucht an der Zeit, die Debatte jetzt nachzuholen.
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