Maduro reagiert auf den Notstand

Venezuelas Präsident steuert mit Maßnahmenpaket gegen die Wirtschaftskrise

  • Jürgen Vogt, Buenos Aires
  • Lesedauer: 3 Min.
Venezuelas Präsident Nicolás Maduro hat mit einer Reihe von Maßnahmen auf die seit Monaten anhaltende Wirtschafts- und Versorgungskrise in dem Ölstaat reagiert.

Venezuelas billigste Flüssigkeit ist Benzin: Der Liter des Treibstoffs kostet weniger als ein Liter Milch oder Wasser. Gerade mal ein US-Cent musste zuletzt für einen Liter Normalbenzin bezahlt werden, obwohl das Land mit den größten Ölreserven der Welt unter dem drastischen Ölpreisverfall der vergangenen Monate spürbar zu leiden hat. Nun hat sich Präsident Nicolás Maduro zum Sakrileg entschlossen und die erste Benzinpreisanhebung seit 20 Jahren veranlasst. Ergänzt wird diese Anpassungsmaßnahme um die Abwertung der Landeswährung.

Ab Freitag kostet der Liter Normalbenzin 1 Bolívar und der Liter Super 6 Bolívares an allen Zapfsäulen. »Venezuela hat das billigste Benzin der Welt. In den USA kostet ein Liter mindestens 0,78 Dollar und in Venezuela bisher nur 0,01 Dollar«, rechtfertigte Maduro die Verteuerung. Obwohl sich der Benzinpreis damit zwischen 1000 und 6000 Prozent erhöht, ist das Benzin immer noch billiger als in jedem anderen Land. Ein Liter Normalbenzin kostet umgerechnet nach dem offiziellen Wechselkurs rund neun Cent, der Liter Super 54 Cent. Legt man den Schwarzmarktkurs von gegenwärtig rund 800 Bolívares für einen Dollar zugrunde, dann kostet der Liter Super zukünftig 0,0075 Dollar - nach wie vor nicht einmal einen Cent.

Der Wechselkurs für den Import von Nahrungsmitteln und Medikamenten steigt von 6,30 auf 10 Bolívares pro Dollar - eine Abwertung von rund 58 Prozent. Ob sich dadurch die staatlich festgelegten Preise für die wichtigsten Grundnahrungsmittel und Verbrauchswaren verteuern, ließ Maduro offen, kündigte aber deren Überprüfung an, sowie eine Neuordnung der staatlichen Supermarkt- und Verkaufsketten.

Zugleich verkündigte Maduro eine 52-prozentige Anhebung des Mindesteinkommens ab März. Mit allen Zulagen steigt das Mindesteinkommen von 16 400 Bolívares auf 24 900 Bolívares. Bei einer jährlichen Inflationsrate von rund 150 Prozent, ist dies jedoch kein Ausgleich für den stetigen Kaufkraftverlust.

Venezuela bezieht 96 Prozent seiner Deviseneinnahmen aus dem Ölexport. Mitte 2014 lag der Preis für das Fass à 159 Liter noch knapp über 90 Dollar. Inzwischen ist er auf unter 25 Dollar das Fass gefallen und liegt damit nur noch wenig über den auf 20 Dollar geschätzten Produktionskosten pro Fass des in der Regel schweren und mittelschweren venezolanischen Rohöls. Wie dramatisch die Lage ist, ließ Maduro jetzt erkennen. Überwies der staatliche Ölkonzern Pdvsa im Januar 2015 noch rund 3 Milliarden Dollar an die Zentralbank, so waren es in diesem Januar nur 77 Millionen Dollar.

Entsprechend schrumpften die Exporterlöse im vergangenen Jahr um knapp 70 Prozent. Für 2016 droht ein Verlust von weiteren 27 Milliarden Dollar, sollte der Preis unter der 30-Dollar-Marke bleiben. Und weil Venezuela außer Erdöl so gut wie nichts exportiert, kann es entsprechend weniger importieren.

Neben der ökonomischen Krise vertieft sich auch die politische, seit die Opposition in der Nationalversammlung die Mehrheit stellt. Der Auslöser für die jüngste Eskalation im Machtkampf zwischen Präsident und Parlament ist das Dekret über den wirtschaftlichen Notstand, das Maduro am 14. Januar verkündet hatte. Während der regierungsfreundliche Oberste Gerichtshof am 11. Februar dessen Verfassungsmäßigkeit bestätigte, hatte die Nationalversammlung Maduros Dekret am 22. Januar zurückgewiesen. Der Oberste Gerichtshof erklärte die Parlamentsentscheidung für ungültig. Die Begründung: Die Nationalversammlung hätte nicht innerhalb von 48 Stunden über das Dekret befunden, wie es im Gesetz über einen Ausnahmezustand vorgesehen ist.

»Diese Frist von acht Tagen wurde mir vom Staatspräsidenten und von der Präsidentin des Obersten Gerichtshofs bestätigt«, sagt dagegen Parlamentspräsident Henry Ramos Allup und berief sich zudem auf einen anderen Artikel in der Verfassung, der eben diese Frist vorgibt. »Dies ist der Anfang eines Staatsstreichs durch den Präsidenten«, warnte er zugleich.

»Das Dekret ist in Kraft«, verkündete Maduro noch am Tag der Gerichtsentscheidung. Der Notstand gelte nun für zunächst sechzig Tage. Der Handlungsdruck steigt weiter.

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