Kostendruck kontra Daseinsvorsorge

In Nordfriesland regt sich Protest gegen Klinikkürzung

  • Dieter Hanisch, Niebüll
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Gesundheitsversorgung in Nordfriesland droht eine massive Schieflage. Dagegen regt sich Widerstand. Schließungs- und Sparszenarien stehen für das vom Kreis betriebene Klinikum Nordfriesland am 23. März zur politischen Abstimmung. In Niebüll hat sich daher eine Bürgerinitiative (BI) mit dem Namen »Klinik in Not« gegründet, die öffentlichkeitswirksam protestiert.

Das Klinikum mit den Standorten Husum, Niebüll, Tönning und Wyk auf Föhr hatte zuletzt von finanziellen Rücklagen gelebt. Die sind nun aufgebraucht. In den letzten neun Jahren wurden rund zwölf Millionen Euro Minus gemacht. Nun will die Kreisverwaltung die Notbremse ziehen. Ein im vergangenen Herbst vorgelegtes Gutachten regt diverse »Verschlankungsmaßnahmen« an. Davon ist die Schließung der Geburtenstation auf der Insel Föhr (18 stationäre Betten) trotz massiver Proteste vor Ort schon umgesetzt worden. Für Niebüll (124 Betten) steht nun zur Disposition, sich ebenfalls von der gynäkologischen Abteilung samt Geburtshilfe zu trennen, dazu die Hals-Nasen-Ohren-Station zu schließen und die Chirurgie auf Tagesbetrieb zu reduzieren. Tönning (29 Betten) soll als stationärer Versorger komplett gestrichen werden. In Husum (258 Betten) sollen die Neurochirurgie und die Physiotherapie-Station wegfallen, ansonsten der Standort aber eher gestärkt werden. Besonders in Niebüll will sich niemand mit den Sparvorschlägen anfreunden. Denn mit den ersten anstehenden Einschnitten könnte es nur eine Frage der Zeit sein, dass das Krankenhaus komplett schließt.

Daher schlägt »Klinik in Not« Alarm. Als symbolisches Protestzeichen hat man ein rotes X-Kreuz kreiert, das über 700 Mal in und um Niebüll aufgestellt wurde. Einem Aufruf zur Bildung einer Menschenkette um das Krankenhaus folgten am Samstag laut BI 1000 Teilnehmer. Die Polizei zählte 600. Weil Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) anlässlich eines Juso-Parteitages in Niebüll vorbeischaute, überreichte ihm die BI ein Protestschreiben.

Eine ortsnahe Daseinsvorsorge und kurze Wege für einen Einzugsbereich von rund 70 000 Menschen seien in Gefahr, so die BI, die nach eigenen Angaben schon 24 000 Unterschriften für einen Standort ohne Abstriche gesammelt hat. Laut BI werden mit den Reformen nicht nur Kosten gespart, sondern durch eine dann nötige Aufrüstung des Rettungswesens auch welche aufgebaut.

Nordfrieslands Landrat Dieter Harrsen (Wählergemeinschaft Nordfriesland) ist Klinikum-Aufsichtsratsvorsitzender und macht Druck. Von ihm ist zu hören, dass dem Klinikum 2017 die Insolvenz drohe, wenn jetzt nicht gehandelt werde. Diese Woche will er eine Wirtschaftlichkeitsprüfung vorlegen, die mit den Sparvorschlägen bei Einwohnerversammlungen am 7. März in Niebüll und eine Woche später in Tönning Diskussionsgrundlage sein sollen, ehe der Kreistag in Husum am 23. März zu einer Sondersitzung zusammenkommt. Wirtschaftsverbände teilen die BI-Argumente. Sie sprechen von einer Schwächung des Standortes, fürchten den Wegzug von Menschen, wenn vielleicht nur noch eine ambulante Tagesklinik aufrechterhalten bleibt oder als Ersatz ein Medizinisches Versorgungszentrum. Werden am 23. März Einschnitte für Niebüll beschlossen, erwägt die Bürgerinitiative einen Bürgerentscheid. Ein Ausweg für das Klinikum Nordfriesland könnte eine Partnerschaft mit dem finanziell besser aufgestellten Flensburger Diakonissenkrankenhaus sein. Bleibt nur die Frage, um welchen Preis.

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