Athen fordert halbe Milliarde Euro Nothilfe für Flüchtlinge

Regierungschef Tsipras wirft Österreich die Abriegelung der Balkanroute vor / EU-Kommission will Griechenland mit 700 Millionen Euro unterstützen - gestreckt über drei Jahre

  • Lesedauer: 3 Min.

Idomeni. Zur Versorgung der Flüchtlinge nach der Schließung der Balkanroute will Griechenland fast eine halbe Milliarde Euro Nothilfe von der EU. »Wir können die Last durch alle hier ankommenden Flüchtlinge nicht tragen«, begründete eine Regierungssprecherin am Dienstag einen Antrag auf 480 Millionen Euro. Nach UN-Angaben sind seit Jahresbeginn schon 130.000 Menschen über das Mittelmeer nach Europa gekommen - fast alle landeten in Griechenland.

Athen rechne damit, dass binnen kurzer Zeit rund 100.000 Menschen versorgt werden müssen, sagte die Regierungssprecherin. Grund ist die weitgehende Schließung der mazedonischen Grenze, an der am Dienstag weiter 7000 Flüchtlinge unter prekärsten Bedingungen festsaßen.

»Das Essen reicht nicht, jeder lügt uns an, wir sind verzweifelt«, sagte die 32-jährige Irakerin Farah nahe des Grenzpostens Idomeni, während ihre Kinder nach einer weiteren durchfrorenen Nacht husteten. Erkältungen und Durchfall grassieren in dem Grenzlager.

Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras warf Österreich vor, durch die Einführung einer Obergrenze für die Abriegelung der Balkanroute verantwortlich zu sein. Kanzler Werner Faymann habe aus »politischer Panik« reagiert, sagte Tsipras dem Sender Star TV. Wegen der schlechten Umfragewerte vor anstehenden Wahlen mache Faymann »spastische Bewegungen«.

Nachdem die mazedonische Polizei am Montag Tränengas gegen Flüchtlinge eingesetzt hatte, zeigte sich die EU-Kommission am Dienstag »sehr besorgt«. »Das ist nicht unsere Vorstellung davon, wie die Krise gemanagt werden sollte«, sagte eine Sprecherin. Internationale Rechtsstandards müssten eingehalten werden. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte in Berlin, angesichts der »sehr schwierigen Lage« an der griechisch-mazedonischen Grenze bestehe dringender Handlungsbedarf.

Als Reaktion auf die Eskalation schnürte die EU-Kommission ein Nothilfe-Paket, das am Mittwoch präsentiert wird - einem Medienbericht zufolge soll es 700 Millionen Euro für drei Jahre umfassen. Griechenland soll bei der Bereitstellung von Flüchtlingsunterkünften, Sachleistungen und finanzieller Hilfe für die Flüchtlinge unterstützt werden. Aber »wir brauchen eine dauerhafte Lösung, indem Flüchtlinge in andere EU-Länder umgesiedelt werden«, sagte die griechische Regierungssprecherin.

Am kommen Montag kommen die EU-Staats- und Regierungschefs nur zweieinhalb Wochen nach ihrem letzten Treffen zum nächsten Sondergipfel zusammen. EU-Ratschef Donald Tusk reist vorher nicht nur durch Länder entlang der Balkanroute, sondern auch nach Ankara. Dort werde er am Donnerstag und Freitag mit Regierungschef Ahmet Davutoglu und Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan für ein »intensiveres Engagement« der Türkei bei der Umsetzung des gemeinsamen Aktionsplans pochen, sagte Tusk am Dienstag in Wien.

Bislang hat Ankara die Flüchtlingszahlen noch nicht eingedämmt: Seit Jahresbeginn kamen 131.000 Menschen über das Mittelmeer nach Europa, wie das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) mitteilte. Das UNHCR warf der EU vor, durch einen »widersprüchlichen« Umgang in der Flüchtlingsfrage zu Chaos und Leid beigetragen zu haben.

Auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) machte sich nach den dramatischen Szenen in Idomeni erneut für eine europäische Lösung der Flüchtlingskrise stark. »Jeder hat die Bilder gesehen. Und die Bilder sind eigentlich ein Beleg dafür, dass man versuchen kann, in Europa eigene nationale Wege zu gehen, aber dass sie nicht zu Lösungen führen«, sagte er in Washington. AFP/nd

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