Augen zu und durch am Fehmarnbelt

Dänisches Parlament beschließt trotz Kostenexplosion Fortführung des Milliardenprojektes. Auch auf deutscher Seite werden Probleme verdrängt

  • Andreas Knudsen, Kopenhagen
  • Lesedauer: 4 Min.
Mit Gesamtkosten von rund zehn Milliarden Euro ist der Fehmarnbelttunnel zum teuersten Infrastrukturprojekt mutiert. Dennoch halten die Regierungen in Dänemark und Deutschland daran fest.

Bauen oder nicht bauen und falls ja, zu welchem Preis? Mit diesen Fragen beschäftigen sich dänische Minister und verkehrspolitische Sprecher der Parteien seit Jahren im Zusammenhang mit der geplanten Festen Fehmarnbeltquerung. Als 2008 der Staatsvertrag zwischen Dänemark und Deutschland zu dem Megaprojekt unterzeichnet wurde, wurden die Kosten auf rund drei Milliarden Euro geschätzt. Heute, nach mehreren Revisionen und zahlreichen Verzögerungen, werden über sieben Milliarden Euro verabschiedet, damit ab 2028 Bahnen, Lkw und Autos den Tunnel unter der Ostsee durchfahren können. Hinzu kommen noch erhebliche Kosten auf beiden Seiten für die landseitigen Verkehrsanbindungen.

Ein wesentlicher Grund für die Verzögerungen ist der fehlende Planfeststellungsbeschluss auf deutscher Seite, mit dem nun bis 2019 gerechnet wird. Bis dahin, so die Erwartung, sind auch eventuelle Gerichtsverfahren abgeschlossen. Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) will gegen die Erteilung einer Baugenehmigung durch alle Instanzen ziehen. Nach Ansicht des Verbandes wird das Großbauwerk unverhältnismäßig stark in die Natur eingreifen. Alternative Verkehrslösungen würden bewusst außer Acht gelassen - insbesondere der wesentlich preiswertere Ausbau des bestehenden und nur wenig längeren Jütland-Korridors.

Am Freitag erteilte nun die Steuerungsgruppe des Parlaments in Kopenhagen dem dänischen Staatsunternehmen Femern A/S das Mandat, bis Mitte Mai Verträge mit Baufirmen abzuschließen. Diese haben eine Laufzeit bis 2019 und geben grünes Licht für den Beginn der Arbeiten unter der Voraussetzung, dass die deutsche Baugenehmigung bis dahin vorliegt. Sollte dies nicht der Fall sein, werden die Verträge neu ausgehandelt. Bei einer Kündigung würden die Baukonsortien mit 40 Millionen Euro entschädigt werden.

Grundlage des neu erwachten dänischen Optimismus ist die Zusicherung der Baukonsortien, die Kosten unter Kontrolle zu bekommen. Die Bauzeit wird nun auf 8,5 Jahre festgelegt. Der 18 Kilometer lange Tunnel, der allein von dänischer Seite finanziert wird, soll sich innerhalb von 36 Jahren durch Mauteinnahmen amortisiert haben - je länger sich dies etwa durch geringeres Verkehrsaufkommen hinzuzieht, umso schwieriger wird es, die Zinsen zu bedienen.

Auch die Kosten der Bahnanbindung auf deutscher Seite könnten drei Mal so hoch wie bei den ursprünglichen Voranschlägen liegen. Doch die Bundesregierung hält sich bei der Bewertung zurück: Es gebe »keine Notwendigkeit einer aktuellen Kostenschätzung« und folglich auch keinen Grund zur Neuverhandlung des Staatsvertrages, wie es in einer Antwort auf eine Anfrage der Linkspartei im Bundestag heißt, die »nd« vorliegt. Die verbleibenden zwölf Jahre bis zur geplanten Eröffnung des Tunnels gäben ausreichend Spielraum, um Kosten über mehrere Jahre zu verteilen, heißt es darin. Dass die Regierung trotz der Kostensteigerungen »stur« an dem Mammutprojekt festhält, ist für Herbert Behrens, Obmann der Linksfraktion im Verkehrsausschuss, völlig unverständlich: »Sie weigert sich auch nur festzulegen, ab welchen Kostensteigerungen sie bereit wäre, Neuverhandlungen aufzunehmen«, sagt er. »Noch ist es nicht zu spät, ein Milliardengrab in der Ostsee zu verhindern.«

Freuen kann sich indes die Bauindustrie, nicht nur in Dänemark. In den drei Konsortien, die die Ausschreibung des dänischen Staates für den Tunnelbau, den Bau der Rampen sowie für den Aushub des Grabens gewannen, sind auch Firmen aus Frankreich, den Niederlanden, Belgien und Deutschland. Ein beträchtlicher Teil der Bausumme, die letztlich der dänische Steuerzahler aufzubringen hat, wird somit nicht die einheimische Wirtschaft ankurbeln, was bisher gern als Argument für das Infrastrukturprojekt angeführt wurde. Wie viele der Arbeitskräfte letztlich aus Dänemark kommen, bleibt eine unbekannte Größe. Schon bei Großprojekten wie der Kopenhagener Metro und den Brücken über den Großen Belt bzw. den Öresund kamen Fachkräfte aus ganz Europa zum Einsatz.

Trotz aller Bedenken, die es inzwischen auch in Dänemark gibt, werden keine neuen Berechnungen zum absehbaren Verkehrsaufkommen vorgenommen, obwohl dieses entscheidend für Rentabilität ist. Mit dem prinzipiellen Beschluss, weiterzumachen wie bisher, überlassen die politisch Verantwortlichen ihren Nachfolgern die endgültige Entscheidung, ob 2019 nun grünes Licht für die Feste Fehmarnbeltquerung gegeben oder doch noch die Notbremse gezogen wird.

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