Wechselfieber an der Weichsel

Verhängnisvolle Veränderungen durch die PiS-Regierung stürzen Polen ins Rechtschaos

  • Julian Bartosz, Wroclaw
  • Lesedauer: 3 Min.
Wohin geht Polen? Das fragen sich ausländische Beobachter ebenso wie Bürger dieses Landes. Eine Station scheint das Chaos zu sein.

Falls Polens PiS-Regierung so weiter macht wie in den ersten drei Monaten, drohe Polen, dass es sich in einem schwarzen Loch verliert. Das äußerte der ehemalige Staatspräsident Aleksander Kwasniewski in der »Gazeta Wyborcza«. Den faktisch als »Oberpräsident und Oberpremier« fungierenden Jaroslaw Kaczynski, der die Zügel fest in seinen Händen hält, beeindrucken derartige Worte keineswegs. Sie spornen ihn vielmehr zu noch schrofferen Äußerungen an. So verglich er die Hinweise von EU und Europarat bezüglich der Versuche, dem Verfassungstribunal die Befugnisse zu beschneiden, mit Breshnews Drohungen, die »Sowjetunion werde ihre polnischen Freunde nie im Stich lassen«. Außerdem wiederholte Kaczynski seine Einschätzung der Teilnehmer von Demonstrationen des »Komitees zur Verteidigung der Demokratie« (KOD) als »Polen einer schlechteren Sorte«.

Bei einem Einwohnertreffen in Otwock erklärte Präsident Andrzej Duda: »Wir haben das Recht, selbstständig zu entscheiden, was für uns gut und was schlecht ist. Wer uns willkommen und wer unser Feind ist. Und wir sind berechtigt, dies auch laut zu sagen ohne auf die pseudo-europäische Correctness zu achten - und das sowohl im Lande wie auch in der internationalen Arena.« Es sei höchste Zeit - so Duda weiter - zu betonen, dass »wir hier in Polen Menschen der ersten Kategorie sind und dass unsere Interessen die wichtigsten sind, die es zu verwirklichen gilt«. Und: »So werden wir handeln, ein Schritt nach dem anderen.«

Sie tun das wirklich. Da helfen auch nicht die Klagen von Jaroslaw Kurski, Stellvertreter des Chefredakteurs von »Gazeta Wyborcza« vor dem Europarat. Der Mann informierte über die Entlassungen bei staatlichen Medien, über die Pläne, die privaten Medien über ein durch das Kulturministerium zu schaffendes »Haus polnischer Medien« zu repolonisieren. Allerdings, so Kurski, werde das nicht leicht sein. Polens privater Medienmarkt wird von fremden Verlagshäusern beherrscht - von der »Passauer Neuen Presse« (fast alle Regionalblätter), von Axel Springer (FAKT und die polnische »Newsweek«); das US-amerikanische Scripps Network ist Eigentümer des privaten TVN-Fernsehens. Kurski beklagte die sich mehrenden Morddrohungen gegen Journalisten der »Wyborcza«, auf die die Staatsanwaltschaft, jetzt Justizminister Zbigniew Ziobro untertan, nicht reagiere.

Derweil verschärft sich der Konflikt zwischen Regierung und Verfassungstribunal. Am Mittwoch befand die Kammer, das Gesetz, mit welchem die Sejm-Mehrheit im Dezember die höchsten Richter praktisch »außer Gefecht« setzen wollte, sei mit dem Grundgesetz unvereinbar. Die Szydlo-Regierung blockiert die Veröffentlichung des Urteils im Amtsblatt: Die »Meinung« der Richter gelte nicht. Auch die Expertise des Europarates wird von der Regierung missachtet. So entstand, wie der Ombudsmann Adam Bodnar sagte, ein Rechtschaos in Polen. Der Parteichef von »Moderne«, Ryszard Petru, sprach gar von »Staatsstreich«.

Regierungstreue Medien vertreten den Standpunkt, das Parlament mit seinen legislativen Vollmachten stehe über der »dritten Macht« - der Rechtsprechung. Und so schreitet Polen weiter auf dem Wege in Richtung schwarzes Loch.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal