Der Aufstieg der AfD – ein wiederkehrendes Phänomen

Was die LINKE im politischen Umgang mit der AfD aus den Wahlerfolgen der Rechtspopulisten in anderen europäischen Staaten lernen kann. Ein Gastbeitrag der Berliner LINKEN-Politikerin Evrim Sommer

  • Evrim Sommer
  • Lesedauer: 4 Min.

Das Wahlergebnis der AfD hat viele Menschen in Deutschland schockiert. Wie konnte die AfD derartig viele Wählerstimmen bekommen? Um dies zu verstehen, lohnt der Blick über die Grenzen Deutschlands hinaus. Der Aufstieg der AfD zeigt klare Parallelen zu anderen europäischen Ländern, zu Österreich, Belgien und Frankreich. Die belgische Politikwissenschaftlerin und Professorin für Politische Theorie in London, Chantal Mouffle, hat das Phänomen des Rechtspopulismus in Europa genauer untersucht und wichtige Erkenntnisse geliefert, die uns heute helfen, das Wahlergebnis von Sachsen-Anhalt zu verstehen.

Schauen wir auf die Republik Österreich Ende der 1980er Jahre. Dort begann der Aufstieg von Jörg Haider und seiner FPÖ. Er wetterte gegen die bestehende Große Koalition aus Sozial- und Christdemokraten und konstruierte eine Grenze zwischen dem »Wir« – das sind die hart arbeitenden Österreichern, welche die nationalen Werte verteidigen - und dem »Sie«, das waren die regierenden Parteien, die Gewerkschaften, die Bürokraten, die Ausländer, die Linksintellektuellen und Künstlern. Damit hatte er Erfolg: Die FPÖ erfreute sich eines dramatischen Zulaufs und errang 1999 bei den Wahlen zum Nationalrat 27 Prozent der Stimme und war damit zweitstärkste Partei.

Zur Person

Evrim Sommer ist ist frauen- und entwicklungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Abgeordnetenhaus von Berlin.

In Belgien gewann die rechtsextreme separatistische Partei »Vlaams Block« bei den Europawahlen 2004 24,1 Prozent der Stimmen. Groß wurde die Partei im Belgischen Antwerpen, wo über Jahrzehnte hinweg eine die Koalition zwischen Sozialisten und Christdemokraten regierte und die Politik monopolisierte. In Frankreich begann der Aufstieg des Front National in den 1980er Jahren, als die sozialistische Partei nach ihrem Wahlsieg mehr und mehr in die politische Mitte rückte. Jean-Marie Le Pen behauptete damals, die einzige Alternative zum politischen Establishment zu sein. Die Sozialisten hatten zu diesem Zeitpunkt ihren Anspruch aufgegeben, eine Alternative zur bestehenden hegemonialen Ordnung zu sein. Bei der Europawahl 2014 bekam der Front National – nun angeführt von Marianne Le Pen - 24,86 Prozent der Stimmen. Die Liste der Phänomene ließe sich weiterführen.

In allen Fällen steht bei den Demagogen der Rechtspopulisten Ausländerfeindlichkeit im Zentrum ihres Wahlprogramms. Dennoch verstehen sie sich auch als »Anti-Establishment«-Partei. Und werben damit, der Frustration der Menschen eine Stimme zu geben. Das ist zuallererst die Frustration der Menschen über die Alternativlosigkeit. In den benannten Ländern lässt sich der Erfolg der Rechtspopulisten als Folge des Verwischens der Grenze zwischen Links und Rechts verstehen, so argumentiert Chantal Mouffle. Die etablierten Parteien rücken immer weiter in die Mitte, so dass es keine ausdifferenzierte Bandbreite politischer-demokratischer Identitäten mehr gibt. Demokratische Politik verliert die Fähigkeit, Menschen für ganz bestimmte politische Projekte zu mobilisieren. So können Rechtspopulisten mit radikalen, teils unmenschlichen, aber dennoch einfachen Antworten den Menschen den Glauben geben, »sie könnten was ändern.« So nun auch in Deutschland. Die Agenda 2010, schwarz-rote Regierungen, eine sozialdemokratische CDU-Kanzlerin, all dass resultiert aus einem Verrücken der politischen Lager in die Mitte. Das ist der Nährboden für die AfD.

Die Partei die LINKE hat sich über Jahre als die Partei der sozialen Gerechtigkeit profiliert und das ungerechte Verteilungssystem in Deutschland in Frage gestellt. Im Wahlkampf in Sachsen-Anhalt stand aber die Regierungswechsel-Arithmetik im Vordergrund und überlagerte die Frage der sozialen Gerechtigkeit. So war die LINKE nicht mehr als Alternativ-Partei wahrnehmbar. Es ist Zeit, dass wir uns klarer links positionieren und damit stärker von den Parteien der Mitte unterscheidbar sind.

Der Blick in die europäische Vergangenheit hilft uns auch, die Fehler beim Umgang mit den Rechtspopulisten zu erkennen und sie nicht zu wiederholen. Denn in Österreich und in Frankreich hat die Ausgrenzung der FPÖ und des Front National, ihre Verteufelung als »Nazis« und das Ignorieren des Phänomens dazu geführt, dass die Rechtspopulisten stärker wurden. Dies erlaubte auch den großen Parteien, sich vor Fragen nach den Ursachen zudrücken und selbst die Verantwortung für das Erstarken der Rechtspopulisten durch Politik der Mitte und des »konsensorientierten Modells« zu übernehmen.

Eine Reaktion auf das schockierende Wahlergebnis muss ein anderer Umgang mit der AfD sein. Wir müssen sie permanent demaskieren, wie es etwa Katja Kipping bei der Diskussion mit Frauke Petri in der Talkshow von Maybrit Illner getan hat. Wir müssen außerdem die lebhaft geführte demokratische Diskussion in unserem Land neu beleben und klare Alternativen zur aktuellen Politik aufzeigen. Wir haben als Partei die LINKE die Pflicht, auf die sozialen Fragen linken Antworten zu geben.

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