Zweifel an »sicheren Herkunftsstaaten«
Geplante Regelung zu Maghreb-Staaten stößt auf Skepsis / Bund soll Auskunft über Lage von Minderheiten geben
Nach der Einigung der Koalitionsspitzen und der Ministerpräsidenten auf das Asylpaket II galt das Thema bereits als abgehakt. Die Asylverfahren sollen beschleunigt und die Liste der »sicheren Herkunftsstaaten« um Algerien, Marokko und Tunesien erweitert werden. Damit sollen Anträge von Flüchtlingen aus diesen Ländern schneller als »offensichtlich unbegründet« abgelehnt werden können. Als Hauptbegründung verweist der Bund auf die geringe Zahl der Anerkennungen aus diesen Ländern, die sogenannte Schutzquote.
Und an diesem Punkt widerspricht nun der Bundesrat: »Eine geringe Schutzquote« sei nur ein »Indiz«, doch »alleine kein ausreichendes Kriterium für die Einstufung als sicherer Herkunftsstaat«. Die Länderkammer zweifelt zudem daran, dass der Gesetzentwurf den »hohen Anforderungen« des Bundesverfassungsgerichtes an die Menschenrechtssituation von Ländern, die als sichere Herkunftsstaaten anerkannt werden, entspricht. Der Bund soll deswegen insbesondere die »Lage von Minderheiten, auch von Volksgruppen sowie von Homo-, Trans- und Intersexuellen« darlegen. Außerdem fordern die Länder eine Altfallregelung für Flüchtlinge, die schon langjährig in Deutschland sind, ohne jedoch einen gesicherten Aufenthaltsstatus erhalten zu haben. Schutzsuchende aus den »sicheren Herkunftsländern« sollen jedoch nicht in den Genuss dieser Regelung kommen.
- Die Länder pochen auf umfassende Erleichterungen für Hartz-IV-Betroffene – vor allem für Kinder und Jugendliche. Ein Gesetzentwurf von Bundessozialministerin Andrea Nahles (SPD) für eine Hartz-IV-Reform soll entsprechend geändert werden. Unter anderem verlangen die Länder eine Prüfung, ob die Regelsätze für Minderjährige ausreichen.
- Der Bundesrat hat sich außerdem für Nachbesserungen in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Schutz von Opfern sexueller Übergriffe ausgesprochen. Grundsätzlich werde das Vorhaben begrüßt, Lücken im Sexualstrafrecht zu schließen und das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung besser zu schützen, heißt es in einer Entschließung. Zugleich sähen die Länder gegenüber dem Entwurf der Bundesregierung weiteren Handlungsbedarf für einen umfassenden Opferschutz.
- Banken dürfen künftig niemanden mehr abweisen, der ein Girokonto eröffnen will. Nach dem Bundestag billigte auch der Bundesrat die Gesetzespläne für ein »Girokonto für Jedermann«. Danach sollen alle deutschen Banken verpflichtet werden, künftig auch Obdachlose und Asylbewerber als Kunden zu akzeptieren. Ein Kreditinstitut kann die Eröffnung eines Basiskontos nur unter besonderen Bedingungen ablehnen. dpa/nd
Über diese Einschränkung ging jedoch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (LINKE) in seiner Rede im Bundesratsplenum hinaus. Eine Altfallregelung sollte vor allem auch zwei großen Gruppen zu einer sicheren Bleibeperspektive verhelfen: Flüchtlingen, die in der Unsicherheit sogenannter Kettenduldungen mit gepackten Koffern leben müssen, und denjenigen, »deren Anträge seit Jahren im Asylsystem hängen geblieben sind«. Es sei doch »einfach absurd« zu fordern, dass Menschen, die bereits seit Jahren in Deutschland leben, dort möglicherweise lernen, arbeiten und eine Familie haben, nun schneller abgeschoben werden sollen.
Bayerns Staatsminister Marcel Huber (CSU) forderte demonstrativ die von den Grünen mitregierten Länder dazu auf, dem Gesetz zuzustimmen. Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) zeigte sich zwar offen für eine Einstufung der drei Länder als »sicher«, um zu einer Beschleunigung der Asylverfahren zu kommen. Gerade dafür sei das Gesetz jedoch kein »Allheilmittel«. Wichtiger sei eine bessere Personalausstattung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge.
Ramelow ging derweil auf Distanz. Die Zustimmung zur Stellungnahme sollte nicht als »Präjudiz unseres Abstimmungsverhaltens im zweiten Durchgang« gewertet werden, wo über das Gesetz entschieden wird. »Wir verhandeln hier heute in kurzer Zeit die dritte Asylrechtsverschärfung.« Ob damit überhaupt ein messbarer Beitrag zur Integration der Geflüchteten geleistet werden könne, bezweifelte er. »Ich meine, es ist nun endlich Zeit für einen politischen Pfadwechsel«, so Ramelow in der Debatte, in der die Riege der grünen Landesfürsten vor allem durch ihr Schweigen auffiel.
Wir sind käuflich. Aber nur für unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen aufgreifen
→ marginalisierten Stimmen Raum geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten voranbringen
Mit »Freiwillig zahlen« machen Sie mit. Sie tragen dazu bei, dass diese Zeitung eine Zukunft hat. Damit nd.bleibt.