Rollenfragen bei der Linkspartei

Matthias Höhn wird wieder Wahlkampfleiter / Bericht über Brief an Fraktionsspitze: Ex-Chef Gregor Gysi will wieder mehr im Bundestag reden

  • Vincent Körner
  • Lesedauer: 4 Min.

Matthias Höhn wird den Wahlkampf der Linkspartei zu den Bundestagswahlen 2017 leiten. Der Bundesgeschäftsführer ist am Wochenende vom Vorstand mit großer Mehrheit mit der Aufgabe betraut worden, die er bereits zur Abstimmung 2013 innehatte. Er wisse »um die Schwere dieser Aufgabe«, sagte Höhn im Sozialen Netzwerk Facebook.

Bei den Bundestagswahlen 2013 hatte die Linkspartei 8,6 Prozent erreicht. Derzeit steht sie in Umfragen zwischen 7 und 9 Prozent. Seit den Landtagswahlen im Frühjahr, bei der die Linkspartei Niederlagen einstecken musste, wird intern über den Kurs debattiert. Er lade schon jetzt Mitglieder und Unterstützer ein, »gemeinsam für eine starke Linke auch im nächsten Bundestag zu kämpfen«.

Selten sei »eine standhafte politische Kraft für Freiheit und Demokratie, für internationale Solidarität und soziale Gerechtigkeit so nötig wie heute«, sagte der Politiker, der seit Juni 2012 Bundesgeschäftsführer der Partei ist. Der Wahlkampf werde »die vordringlichste Aufgabe der Bundesgeschäftsführung« sein, so Höhn. Er habe sich zudem entschieden, auf dem kommenden Bundesparteitag im Mai in Magdeburg erneut für dieses Amt zu kandidieren.

Unterdessen berichtet die »Bild«-Zeitung über ein Schreiben, laut dem sich der frühere Linksfraktionschef Gregor Gysi wieder eine stärkere Präsenz auf der Bühne des Bundestags wünscht. Für seine Zukunftsplanung sei es wichtig, »eine Rolle oder auch keine Rolle im Bundestag zu finden« – Gysi will offenbar wieder stärker im Vordergrund stehen.

»Seit dem Wechsel im Fraktionsvorsitz habe ich kein einziges Mal mehr im Bundestag gesprochen«, zitiert das Blatt aus dem Schreiben an die Fraktionsspitze. Er könne sich vorstellen, »zumindest in großen Zügen für Europa zuständig« zu sein, auch wenn dies »ein bestehendes Gehege« sei, ein Hinweis von Gysi auf die bisherigen Verantwortlichkeiten in der Linksfraktion.

Eine andere Variante sei, »dass ich Generalist bleibe. Das bedeutete, dass ich wenigstens sechs Reden im Bundestag halten müsste«, wobei es auch »um die erste Stellungnahme zu Regierungserklärungen« gehe – diese Auftritte teilen sich seit ihrem Aufstieg an die Fraktionsspitze Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch. Eine dritte Variante sei laut Gysis Schreiben, dass er »im Bundestag keine Rolle mehr spiele. Diese ist relativ bequem und hat für mich auch ihre Vorzüge«. Das Boulevardblatt zitiert einen namentlich nicht genannten Vorstand der Linksfraktion mit den Worten, dies sei ein »Erpressungsversuch«, die Zeiten, in denen Gysi »Bedingungen stellen konnte, sind vorbei«.

Erst vor wenigen Tagen hatte der 68-Jährige in einem Interview erklärt, er wolle auch künftig »gelegentlich meine Meinung zu Dingen sagen. Ich werde versuchen, auch politisch wahrnehmbar zu bleiben«. Aber er wolle weder, so Gysi in der »Hamburger Morgenpost«, zurück ins Amt noch »so ein Ersatzfraktionsvorsitzender werden«.

Linksparteichef Bernd Riexinger sagte inzwischen, es sei »kein Geheimnis, dass ich mich freue, wenn Gregor Gysi uns erhalten bleibt. Über seine künftigen Aufgaben diskutiert der Fraktionsvorstand zeitnah und berücksichtigt dabei die Vorschläge« des langjährigen Frontmannes, so Riexinger in der »Rheinischen Post«. Ko-Chefin Katja Kipping bestritt, dass es Differenzen über Gysis künftige Rolle gibt. Es sei ein »ganz normaler Vorgang«, dass es über die Rolle eines Bundestagsabgeordneten nach dessen Ausscheiden aus der Fraktionsspitze gibt. Kipping selbst erwarte eine »gemeinsame Lösung«.

Unterdessen hat sich der Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow zu Meldungen geäußert, in denen ein Interview von ihm vor allem als Kritik an Sahra Wagenknecht verstanden wurde. »Darum ging es nicht«, so Ramelow jetzt. Er habe eine gemeinsame Debatte »über Weichenstellungen, über die Frage, wie wir verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen können« eingefordert.

Dies werde man »nicht mit einfachen Antworten« erreichen können. Es müsse »in wenigen Sätzen zu erklären sein, wofür die Linke grundsätzlich steht. Ich plädiere für eine Sozialstaatsgarantie, weil ich mir eine Gesellschaft wünsche, in der keiner zurückgelassen wird«, so Ramelow. Er könne »gut verstehen, dass die Presse solche Debatten gern personalisiert, aber es wird ein bisschen albern, wenn daraus eine persönliche Auseinandersetzung konstruiert wird, die nicht existiert«.

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