Feuerwehr in Nöten

Berliner Rettungskräfte können mit dem rasanten Anstieg der Einsätze nicht mithalten

  • Elsa Koester
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Zahl der Feuerwehreinsätze steigt weiter stark an. Längst sind die Beamten damit überfordert. Grüne fordern einen Notfallgipfel.

Die Berliner Feuerwehr ist zu langsam. Acht Minuten, länger sollte ein Rettungswagen ab Eingang des Hilferufs bis zum Eintreffen am Einsatzort nicht brauchen, sind sich Berliner Feuerwehr und Innensenatsverwaltung einig. Durchschnittlich vergingen im Jahr 2015 jedoch neuneinhalb Minuten, sogar mehr als im Jahr zuvor. Gerade einmal 35,2 Prozent der Einsätze erfüllen in Berlin das so genannte Schutzziel der schnellen Rettung.

»Berlin boomt, die Einsatzzahlen steigen, und die Feuerwehr hat zu wenig Personal, um mit dem rasanten Wachstum mitzuhalten«, erklärte Innensenator Frank Henkel am Mittwoch bei der Vorstellung der Jahresbilanz die schlechte Lage der Berliner Feuerwehr. Rund 35 000 Einsätze mehr als im Vorjahr fuhr die Feuerwehr, das ist eine Zunahme um knapp neun Prozent. Der Großteil hiervon betrifft den Rettungsdienst - Brandeinsätze machen gerade einmal 1,6 Prozent der gesamten Arbeit aus.

Zum Anstieg der Einsatzzahlen hat im vergangenen Jahr die Flüchtlingshilfe beigetragen. Rund 39 400 Flüchtlinge hat die Berliner Feuerwehr 2015 im Bahnhof Schönefeld empfangen, wo im vergangenen Jahr 102 Sonderzüge angekommen sind.

Die Steigerung der Rettungseinsätze ist jedoch keineswegs neu, seit Jahren nehmen die Hilferufe bei der Feuerwehr zu. »Hauptgrund für diese große Erhöhung der Einsatzzahlen ist der Bevölkerungszuwachs und die Alterung der Gesellschaft«, sagte Wilfried Gräfling, Leiter der Berliner Feuerwehr. »Die Rettungswagen müssten aber auch nicht in allen Fällen anrücken, in denen sie gerufen werden.« Gräfling forderte Wege der Versorgung von Patienten ohne Rettungswagen.

So könnten die Pflegeheime in einigen Fällen auch niedergelassene Ärzte zur Hilfe rufen. »Wenn wir die Rettungswagen nicht entlasten, wird das System kollabieren«. In welchen Fällen der Rettungsdienst der Feuerwehr überflüssig ist, könne allerdings erst dann gesagt werden, wenn Krankenhäuser und Krankenkassen die Zahlen zu den Diagnosen der eingelieferten Patienten herausgeben würden. Dem stehe bisher der Datenschutz entgegen.

Zur akuten Verbesserung der Feuerwehreinsätze wurden im vergangenen Jahr drei Rettungswagen angeschafft und zehn bei Hilfsorganisationen geliehen. Eine verbesserte Quote in der Erfüllung von »Schutzzielen« wurde dadurch jedoch nicht erreicht. Im Gegenteil sank die Quote Ende vergangenen Jahres weiter. Nur 95 zusätzliche Stellen wurden geschaffen. »Die Trendumkehr in der Personalpolitik reicht nicht aus«, gab Henkel zu. Für mehr Personal würden jedoch auch mehr Fachkräfte benötigt. Um den Beruf attraktiver zu gestalten, beschloss der rot-schwarze Senat am Mittwoch eine Zulage von 200 Euro für Notfallsanitäter.

Benedikt Lux, innenpolitischer Sprecher der Grünen, erwartet unter Henkel keine Verbesserung der Situation der Berliner Rettungsdienste. »Vier Jahre lang hat er den sich stetig verschlechternden Zahlen in den Jahresbilanzen nur zugeschaut«, kritisierte Lux am Mittwoch und forderte: »Berlin braucht einen Notfallgipfel für die Notfallhilfe. Der Senat muss sich mit allen Verantwortlichen an einen Tisch setzen: Feuerwehr, Hilfsorganisationen und Krankenkassen.« Notwendig zur Verbesserung der Situation sei ein Sofortpaket von mindestens 13,5 Millionen Euro für mehr Personal, neue Stützpunkte und eine Modernisierung der maroden Flotte der Feuerwehr. Zur Finanzierung schlägt der Grünen-Innenexperte vor, den geplanten Neubau einer gemeinsamen Leitzentrale von Feuerwehr und Polizei zu verschieben, um Gelder loszueisen.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal