Konsequenzen aus LAGeSo-Chaos lassen auf sich warten
Oppositionsparteien kritisieren im Sozialausschuss mangelnde »Einsicht und Belehrbarkeit« von Senator Czaja
50 000 Euro im Kofferraum machen noch keine Straftat. Das ist der Betrag, der bei einem Referatsleiter des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) gefunden wurde. Wegen des Verdachts auf Bestechung bei der Vergabe von Dienstleistungen in Flüchtlingsunterkünften ermittelt nun die Staatsanwaltschaft. Seine Schuld ist aber noch nicht bewiesen, und somit auch noch nicht, dass es überhaupt einen Korruptionsfall am LAGeSo gegeben hat. Darauf wiesen am Montag im Sozialausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses Vertreter der Koalitionsfraktionen hin. Dort wurde ein Antrag der Oppositionsparteien verhandelt, die angesichts der geltenden Unschuldsvermutung vorsichtig von »korruptionsanfälligen Strukturen« am Landesamt sprachen. Sie kritisierten ausgebliebene Konsequenzen aus der Affäre sowie die Abwesenheit und vermeintliche Untätigkeit des zuständigen Senators Mario Czaja (CDU).
»Mir fehlt die Einsicht und die Belehrbarkeit des Senators«, sagte Canan Bayram, flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünenfraktion. Bereits der Rechnungshofbericht vom vergangenen Herbst habe ein »komplettes Versagen« der Fachaufsicht am LAGeSo offenbart. Nachhaltige Lösungen seien bisher ausgeblieben.
Anstelle von Czaja stellte sich Sozialstaatssekretär Dirk Gerstle den Abgeordneten. Der legte eine wesentlich positivere Bilanz vor: Für die Vergabe von Betreiberaufträgen von Flüchtlingsunterkünften sei das Vieraugenprinzip eingeführt worden, damit keine einseitigen Absprachen mehr getroffen werden könnten. Die Innenrevision des LAGeSo sei zunächst vorübergehend personell gestärkt worden, die Berliner Unterbringungsleitstelle (BUL) werde derzeit einer »vertieften Prüfung« unterzogen und Musterverträge für die Betreiber befänden sich in der Abstimmung mit den Beteiligten.
Die zwei wichtigsten Änderungen: Künftig sollen nur noch Betreiber von Hostels und Ferienwohnungen den Zuschlag erhalten, die auf einer noch zu erarbeitenden Weißen Liste stehen. Zudem sollen Sicherheitsfirmen in Zukunft direkt vom LAGeSo beauftragt werden statt von den Betreibern der Unterkünfte.
Bis auf den letzten Punkt sind das für die Oppositionsparteien alles olle Kamellen: Vorhaben, die bereits länger in der Planung sind, aber genauso lange auf ihre Umsetzung warten. Handlungsfähig müsse das LAGeSo aber bereits jetzt sein, Fehlverhalten in den eigenen Reihen ahnden und Sanktionen gegen problematische Betreiber verhängen. Doch mit den Kontrollen hapert es, und die Zuständigkeiten für Hinweise auf Korruptionsfälle oder anderes Fehlverhalten sind weiter unklar.
Auch gibt es bisher keine Antwort darauf, wie das LAGeSo mit weiteren Subunternehmen umgehen will. Denn auch bezüglich manchen Caterern und Reinigungsfirmen in Notunterkünften gibt es immer wieder Beschwerden. Gerstle verweist auf den Mustervertrag, der entsprechende Kriterien für die Beauftragung von Dienstleistern festlegen soll. Der soll im Herbst vorliegen - bis dahin haben viele Betreiber dann rund ein Jahr ohne Vertrag ihre Notunterkünfte geführt. Kritik dafür kommt nicht nur aus der Opposition, sondern auch von vielen Betreibern selbst: Die Rechtsunsicherheit liegt auf beiden Seiten.
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