Senioren besetzen Haus in Berlin-Pankow: Sie tun es wieder

Senioren besetzen erneut Begegnungsstätte in Pankow

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.
Häuser besetzten sowieso: Die Begegnunsstätte in der Stille Straße wird von ihren Nutzer*innen besetzt.
Häuser besetzten sowieso: Die Begegnunsstätte in der Stille Straße wird von ihren Nutzer*innen besetzt.

»Das ist unser Haus« steht auf einen Transparent, das im Garten eines gut erhaltenen Hauses hängt. Es steht nicht etwa in Kreuzberg oder Neukölln, sondern in einer noblen Wohngegend im Ortsteil Pankow. Die Adresse dürfte manchen noch bekannt sein: Die Stille Straße 10 wurde schon vor 13 Jahren weit über die Stadt hinaus zu einem Symbol der Berliner Mieter*innenproteste. Dass Senior*innen ihre Begegnungsstätte besetzen, hatte es zuvor selbst in der als Besetzer*innenhochburg gelabelten Stadt noch nicht gegeben. Selbst im Ausland fand der Protest Beachtung. So erreichten vor 13 Jahren die Besetzer*innen auch Solidaritätserklärungen von »Abuelas« (Großeltern) aus Spanien, die die damals starken Proteste ihrer Kinder und Enkel*innen gegen die EU-Austeritätspolitik unterstützten.

Damals konnte die Begegnungsstätte in letzter Minute gerettet werden, weil sie in freier Trägerschaft von der Volkssolidarität übernommen wurde. Doch damit ist zum Jahresende Schluss. »Nach 13 Jahren gemeinsamer Arbeit endet zum 31. Dezember 2025 die Förderung der Begegnungsstätte Stille Straße 10 durch die Volkssolidarität Berlin. Seit 2012 hat der Verband die Einrichtung mit einem finanziellen Zuschuss sowie Personal unterstützt und damit einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung des Standorts geleistet«, heißt es in der Pressemitteilung der Volkssolidarität.

Dort wird auch betont, dass die Nutzer*innen der Senioren-Begegnungsstätte mit ihrem Engagement das Weiterbestehen möglich gemacht haben. »Die Mitglieder des Fördervereins Stille Straße 10 e.V. haben in dieser Zeit alle Angebote und Veranstaltungen ehrenamtlich organisiert«, heißt es in der Mitteilung. Trotzdem ist die Existenz der Senior*inneneinrichtung wieder bedroht. Der Grund sind Kürzungen im Landeshaushalt. Deshalb kann die Volkssolidarität die 15 000 Euro nicht mehr aufbringen, die die Begegnungsstätte jährlich für Strom, Gas, Wasser und Müllabfuhr zahlen muss.

»Wir haben große Unterstützung erfahren, für die wir sehr dankbar sind. Zugleich haben wir Verständnis für die veränderte Haushaltslage, die diesen Schritt notwendig macht«, sagt Eveline Lämmer vom Vorstand des Fördervereins Stille Straße gegenüber »nd«.

Doch ans Aufgeben denkt in der Stille Straße niemand, wie Lämmer sofort klarstellt. Der Förderverein Stille Straße will ab 1. Januar 2026 die Senioren-Begegnungsstätte in Eigenregie übernehmen. Dafür müssen zunächst die finanziellen Mittel aufgebracht werden, um die laufenden Kosten zu decken. Daher hat der Förderverein eine Spendenkampagne gestartet.

Seit bekannt wurde, dass die Senioren-Begegnungsstätte erneut in der Existenz bedroht ist, haben sich auch viele Unterstützer*innen gemeldet, die sich noch an die Besetzung vor 13 Jahren erinnern. Am 18. Oktober fand ein erster Aktionstag statt. Dort zeigten auch viele junge Menschen den Senior*innen ihre Unterstützung. Schon vor 13 Jahren wurden sie von jungen Aktivist*innen aus Pankower Jugendzentren mit Matratzen und Schlafsäcken unterstützt. »Die Besetzung in der Stille Straße ist ein Zeichen dafür, dass alle Generationen gegen eine Politik protestierten, die Begegnungsstätten schließt, nur um einige Tausend Euro zu sparen, die dann für Autobahn- oder Rüstungsprojekte verschleudert werden. Da hat sich bis heute nichts geändert«, sagte Patrick, einer der jungen Unterstützer, gegenüber »nd«.

Eveline Lämmer zeigte sich im Gespräch mit dem »nd« enthusiastisch über den Zuspruch. Sie hofft, dass viele Unterstützer*innen am 4. November ab 17.15 Uhr zum BVV-Saal in der Fröbelstraße in Pankow kommen. Dort wird über die Zukunft der Senior*innenstätte debattiert. Zu den Unterstützer*innen auf politischer Ebene gehört die Linkspartei im Bezirk und im Abgeordentenhaus. Für die Senior*innen steht jetzt schon fest, so Lämmer: »Wir gehen aus dem Haus nicht raus.«

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