Thüringer SPD kommt wegen Ex-AfDler nicht zur Ruhe

Nach der Aufnahme des Ex-AfD-Mitglieds Oskar Helmerich in die Landtagsfraktion sind sich die Sozialdemokraten weiter uneins

  • Sebastian Haak
  • Lesedauer: 3 Min.
Sollten manche Genossen gedacht haben, in der Causa Helmerich sei die heftigste Kritik an den Spitzen der Thüringer SPD vorüber, haben sie sich getäuscht. Der Parteinachwuchs hat nun einen Fragebogen verschickt.

Erfurt. Nachdem die sozialdemokratische Landtagsabgeordnete Diana Lehmann wegen der Aufnahme des Ex-AfD-Mitglieds Oskar Helmerich in die SPD-Fraktion im Thüringer Landtag ihre Ämter im Landesvorstand der Partei niedergelegt hat, zieht nun auch der SPD-Nachwuchs Konsequenzen aus der Personalentscheidung. Die Vorsitzende der Thüringer Jusos, Saskia Scheler, werde so lange nicht mehr an Sitzungen des Landesvorstands teilnehmen, bis alle Mitglieder der SPD-Fraktion ihr Abstimmverhalten in der Causa Helmerich »glaubhaft und plausibel« erläutert hätten, heißt es in einer Mitteilung der Jusos, die am Dienstag in Erfurt verbreitet wurde.

Dazu haben die Jusos einen siebenteiligen Fragebogen an alle Mitglieder der SPD-Landtagsfraktion geschickt. Darin sollen die Abgeordneten detaillierte Angaben dazu machen, warum sie dafür oder dagegen gestimmt haben, dass Helmerich vor wenigen Tagen in die Fraktion aufgenommen worden ist.

Helmerich war nach einer Fraktionssitzung der Sozialdemokraten als deren dreizehntes Mitglied in die SPD-Fraktion aufgenommen worden. Von den damals zwölf SPD-Parlamentariern votierten acht für die Aufnahme des Juristen, zwei stimmten dagegen, ein Fraktionsmitglied enthielt sich der Stimme, ein Abgeordneter war bei der Abstimmung nicht anwesend. Gegen die Aufnahme Helmerichs hatten Lehmann und die SPD-Abgeordnete Birgit Pelke gestimmt.

Lehmann hatte kurz nach der Aufnahme von Helmerich in die SPD-Fraktion auch ihr Amt im SPD-Landesvorstand niedergelegt. Der Fall habe ihr gezeigt, dass es in der Landespartei keine »offene Debattenkultur« gebe. »Es gibt eine Meinung, der man sich anschließen darf«, sagte sie. Eine eigene Meinung dürfe man dagegen nicht haben. Das sei mit ihrer Vorstellung von Politik nicht vereinbar.

In ihrer Mitteilung kritisieren die Jusos zudem die Aufnahme Helmerichs in die SPD-Fraktion auch ganz grundsätzlich. »Natürlich begrüßen wir es, wenn sich Menschen eine reflektierte Meinung bilden und sich dann dazu entschließen, politischen Anschluss in der Sozialdemokratie zu suchen«, heißt es in dem Text. »Der Gesinnungswandel von Herrn Helmerich ist uns jedoch bisher nicht plausibel dargelegt worden.«

Die Jusos erinnern nicht nur daran, dass Helmerich die Thüringer AfD mitgegründet hatte und auf Platz zwei ihrer Liste zur Landtagswahl stand. Helmerich habe im Wahlkampf 2014 daher unter anderem in der Europa-, Wirtschafts-, Arbeits-, Sozial-, Familien- und Asylpolitik Positionen vertreten, die »diametral zu denen der SPD« stünden. So habe Helmerich beispielsweise für ein Wahlprogramm geworben, dass Gemeinschaftsschulen zugunsten eines selektiven Bildungssystems ablehne, schreiben die Jusos. Dabei sei die Förderung von Gemeinschaftsschulen doch ein Kernanliegen der SPD. Wie Helmerich nun seine Hinwendung unter anderem zu dieser Form von Bildungseinrichtungen erkläre, sei ihnen »nach wie vor unverständlich«, argumentiert der SPD-Nachwuchs.

Vertreter der Koalitionspartner der Thüringer SPD hatten die Aufnahme von Helmerich in die sozialdemokratische Fraktion in den vergangenen Tagen eine inner-sozialdemokratische Angelegenheit genannt – obwohl damit ein ehemaliger AfD-Mann nun auch Teil des rot-rot-grünen Experiments in Thüringen ist. Helmerich habe in der bisherigen Legislaturperiode bereits eine »positive Haltung« gegenüber rot-rot-grünen Positionen gezeigt, hatte zum Beispiel der parlamentarische Geschäftsführer der Linke-Fraktion im Landtag, André Blechschmidt, gesagt. Helmerich war bald nach seinem Einzug in den Landtag über einen Listenplatz der AfD aus der Partei und Fraktion der Rechtspopulisten ausgetreten und saß dann als fraktionsloser Abgeordneter im Parlament.

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