Jung, ostdeutsch, linksradikal

Seit zehn Jahren trotzt der Antifaschistische Jugendkongress in Chemnitz rechtem Druck

  • Yaro Allisat
  • Lesedauer: 3 Min.
Antifa-Protest gegen Nazis in Chemnitz (Symbolbild).
Antifa-Protest gegen Nazis in Chemnitz (Symbolbild).

»Zeit, was zu feiern«, ist aktuell nicht gerade das Motto Linker in ganz Deutschland. Trotzdem ist es der Slogan des 10. Antifaschistischen Jugendkongresses in Chemnitz. Denn entgegen aller Hürden haben die Organisator*innen es Jahr für Jahr geschafft, rund 200 Jugendliche und junge Erwachsene vor allem aus Sachsen zusammenzubringen und Raum für Austausch und Vernetzung zu schaffen. »Wir hatten teils massive Polizeiaufgebote vor der Tür«, sagt dazu Florian Bach, der den Kongress im Alternativen Jugendzentrum Chemnitz seit neun Jahren mitorganisiert, gegenüber »nd«. »Wir sind im Verfassungsschutzbericht gelandet, es gab große Anfeindungen im Chemnitzer Stadtrat, hinzu kommen Verwerfungen innerhalb der Linken selbst.«

Entstanden war das Projekt vor zehn Jahren mit dem Aufstieg von Pegida und anderen rechten Akteuren, um nicht nur »Feuerwehrpolitik« zu machen, sondern auch abseits der Aktionen zusammenzukommen. Dies wird, so die Organisator*innen, nun wichtiger denn je. Denn Sachsen erlebt seit Jahren Kürzungen von Fördermitteln in der Demokratiearbeit. Räume, in denen linke Gruppen sich treffen können, gehen so Stück für Stück verloren. Hinzu kommt mit zunehmender Etablierung der AfD in Landes- und Kommunalparlamenten ein verstärkter Druck auf Demokratievereine und eine Zunahme rechter Gewalt. Das stellen auch Opferhilfeberatungen fest – von 2023 zu 2024 hatte die Zahl rechtsradikaler Angriffe um ein Drittel zugenommen auf 446 Betroffene, so die Statistik der Opferberatung RAA Sachsen.

Auch der aktuelle Hype um die Linkspartei, mit mehr als acht Prozent bei den Bundestagswahlen und zahlreichen Neueintritten, federt nicht ab, was auf dem Land seit Jahren schleifen gelassen wurde. »Die Linkspartei stirbt weg und ist massiv auf dem Rückzug im ländlichen Raum. Vor zehn Jahren gab es da noch eine andere Basis«, so Bach. Gerade in kleinen Orten braucht es jede linke Kraft, unabhängig vom Parteibuch.

Diskriminierungsformen, identitätspolitische Ansätze und aktionsorientierte Wissensweitergabe, auch über Generationen von Antifaschist*innen hinweg, bilden den Fokus des Programms. Zentrale Themen sind in diesem Jahr, abgesehen von der konstanten Wissensweitergabe und der Bildung hinsichtlich sicherer Technikinfrastruktur oder dem Verhalten bei Hausdurchsuchungen, vor allem die rechten Kampagnen gegen Christopher Street Days. 2024 hatte vor allem der CSD in Bautzen Schlagzeilen gemacht, zu dem rund 700 Neonazis eine aggressive Gegendemonstration veranstalteten. In diesem Jahr haben zahlreiche antifaschistische Gruppen zur Begleitung von CSD-Umzügen in kleineren Orten in ganz Sachsen aufgerufen.

Queerfeindlichkeit und Antifeminismus sind zentral in der neurechten Ideologie. Sie verbinden verschiedene rechte Akteur*innen. »Schon letztes Jahr bei den CSDs konnten wir beobachten, dass die Rechten sich sicherer fühlen, in der Öffentlichkeit aufzutreten, Menschen einzuschüchtern und anzugreifen«, so eine Mitorganisator*in des Jugendkongresses in Chemnitz. Die antifaschistische Mobilisierung zeige auch, wie wichtig das Verbinden von antifaschistischen und (queer)feministischen Kämpfen sei. Die Massenaktionen von »Widersetzen«, die bereits zwei Parteitage der AfD in den vergangenen drei Jahren zu blockieren versuchten, spielen hingegen eine weniger zentrale Rolle auf dem Kongress.

Auch der mutmaßliche Genozid Israels an den Palästinenser*innen sei kaum Thema. Zwar sind vor allem pro-israelische Antifagruppen auf dem Kongress sichtbar, trotzdem halten die beiden von »nd« befragten Organisator*innen das Thema nicht für bestimmend – nicht nur, weil man sich in Kleinstädten oder Dörfern mit entsprechend kleiner linker Szene Spaltungen diesbezüglich kaum leisten könne. »Das kann daran liegen«, so Bach, »dass weniger Menschen mit Verwandten in Israel, dem Gazastreifen oder dem Westjordanland auf dem Land leben. Lebensweltlich hat es nicht so direkte Auswirkungen.«

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